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Archivale 07/2010 - Höhere Schulbildung für Mädchen

Die Möglichkeit für Mädchen, eine höhere Schulbildung zu erhalten, war lange Zeit stark eingeschränkt. Begüterte Bürger konnten ihre Töchter auf Privatschulen schicken. Der früheste Hinweis auf eine Töchterschule in unserer Region stammt aus einem Testament von 1352. Ein Lübecker Kaufmann ließ seine Tochter im Nonnenkonvent des Heiligen Geistes in Ratzeburg erziehen.

Dienten im Mittelalter die Nonnenklöster als Töchterpensionate, übernahmen später private Einrichtungen diese Funktion. Während für die Jungen die Domschule und später (ab 1845) die Lauenburgische Gelehrtenschule ein erweitertes Bildungsangebot bereithielten, konnten Mädchen lediglich auf den „Höheren Töchterschulen“ eine qualifiziertere Bildung erwerben.

 

Die 3-klassige „mittlere Töchterschule“ der Leiterin Johanna Gast befand sich in der Schrangenstraße 174 (heute Nr. 3), später in der Langenbrücker Straße 9. Daneben gab es die 4-klassige „Höhere Töchterschule“. Von 1903 bis 1926 leitete Emma Spiethoff die Privatmädchenschule, die in der Junkernstraße 7 untergebracht war. Die dort angestellten Lehrerinnen verfügten nicht über akademische Bildung. Nach dem Ersten Weltkrieg verschlechterte sich die finanzielle Lage der Schule zusehends. Zudem erforderten die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse Verbesserungen der Mädchenbildung.

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Höhere Töchterschule Ratzeburg
Klassenfoto 1910, Lehrerin Frl. Franck

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Höhere Töchterschule
Klassenfoto 1910

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Höhere Töchterschule Ratzeburg
Ausflug nach Timmendorf
oben links Fr. Stützen, rechts daneben Frau E. Spiethoff

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Höhere Töchterschule Ratzeburg
Klassenfoto 1912
 

So entstanden 1919 erste Pläne für die Übernahme der von rund hundert Mädchen besuchten Schule durch die Stadt Ratzeburg. Die Stadtverordneten erklärten sich grundsätzlich bereit, „auch das über die Volksschule hinausgehende Mädchenschulwesen in die städtische Verwaltung zu übernehmen.“

Da die Stadt sich dann aber nicht dazu in der Lage sah, die Stadtschule weiter auszubauen, begann der Kreis mit den Vorbereitungen zur Einrichtung einer „Deutschen Oberschule“ im Anschluss an die Lauenburgische Gelehrtenschule. Gleichzeitig sollte die Spiethoff’sche Privatmädchenschule übernommen werden. 

In einer Denkschrift des Direktors der LG, P.B. Schmidt, heißt es:

„Außerdem fordert die höhere Mädchenbildung, die im gesamten Lauenburger Lande als unzureichend anzusehen ist, heute eine nicht länger aufschiebbare Berücksichtigung.“ 

Lauenburgische Gelehrtenschule

Der Kreistag stimmte den Plänen am 20. Dezember 1922 grundsätzlich zu. Die Stadt Ratzeburg überließ dem Kreis die Spiethoff’sche Schule in der Junkernstraße am 1. April 1922. Ab Ostern 1922 durfte die Schule keine neuen Schülerinnen mehr aufnehmen.

Nach einem Erlass des Provinzial-Schulkollegiums war die „Aufnahme von Mädchen […] in der Deutschen Oberschule grundsätzlich, im Gymnasium in besonderen Ausnahmefällen gestattet.“  

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Lauenburgische Gelehrtenschule
Abiturjahrgang 1929
Einzige Abiturientin: Stephanie Otte

Die Deutsche Oberschule wurde nach einem Kreistagsbeschluss nach nicht einmal fünf Jahren schon wieder stufenweise abgebaut. Die Schülerzahl war offenbar zu gering, um das Nebeneinander zweier voll ausgebauter höherer Schulen zu rechtfertigen. Der Abbau zog sich bis 1935 hin.

Inzwischen war an der Stadtschule seit Ostern 1931 eine „Gehobene Abteilung“ eingerichtet worden, die kontinuierlich ausgebaut und 1942 offiziell als Mittelschule anerkannt wurde.