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Archivale 08/2010 - Das Römersche Legat (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 4448, 1834-1876)

Stiftungen spielen heute eine immer wichtigere Rolle. Das Wiedererstarken der Idee des Bürgerengagements und die Kürzung öffentlicher Mittel haben dazu beigetragen, dass Stiftungen eine zunehmende Bedeutung als Geldgeber für gemeinnützige Initiativen und Projekte einnehmen. Der Gedanke, das Gemeinwohl durch eine Stiftung zu fördern, ist jedoch keineswegs neu. Er hat eine lange Tradition, die in Deutschland weit in das Mittelalter zurückreicht. Stiftungen wurden für das Seelenheil der Stifter eingerichtet, aber auch zu mildtätigen Zwecken. So geht die Einrichtung zahlreicher Waisenhäuser, Hospitäler und Altenheime auf Stiftungen zurück. Eines der berühmtesten Beispiele ist die Fuggerei in Augsburg.

In Ratzeburg wurden im 18. und 19. Jahrhundert zahlreiche Stiftungen und Legate (= Vermächtnis) ins Leben gerufen, die verschiedene gemeinnützige Zwecke verfolgten. Eines dieser Legate ist das Römersche Legat. 

Lambert Heinrich Römer, am 31. Januar 1749 in Teterow / Mecklenburg geboren, war Kaufmann – später Justizrat -  und wurde 1790 Bürger der Stadt Ratzeburg. Im selben Jahr heiratete er Anne Sophie Nölting, die Tochter des Ratzeburger Kaufmanns Michael Heinrich Nölting. Römer übernahm verschiedene Ämter in der Stadt, wurde 1803 Achtmann, 1805 Ratsherr und 1809 Bürgermeister. Dieses Amt übte er bis zu seinem Tode am 29. Juni 1825 aus.

Knapp zwei Monate nach dem Tod ihres Mannes errichtete seine Witwe ihr Testament, das nach ihrem Ableben am 21. Januar 1834 geöffnet wurde.

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Protokoll über die Testamentseröffnung
am 21. Januar 1834
(bitte aufrufen)

Die Ehe der Römers war kinderlos geblieben und so setzte Anne Sophie Römer in § 2 zu „alleinigen Universal-Erben und zu gleichen Theilen ein: 1. die Stadtkirche zu Ratzeburg, und 2. die Stadt-Armen zu Ratzeburg 

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Testament der Witwe Anne Sophie Römer, geb. Nölting
(bitte aufrufen)

Weiter bestimmte das Testament: 

§ 3 Vor allen Dingen lege ich der Stadtkirche die Verpflichtung auf, gegen das aus meinem Vermögen erhaltende dasjenige Gewölbe auf dem vor dem Langenbrücker Thore belegenen Kirchhofe, in dem mein seeliger Mann beigesetzt worden, und in dem auch ich verlange beigesetzt zu werden, als ein Römer’sches alleiniges Begräbnis zu beständigen Zeiten in gutem Stand […] unverrückt zu erhalten.

Die Einnahmen aus der Erbschaft sollen zuerst für diesen Zweck verwendet werden. Die Gruftanlage auf dem Friedhof am Steindamm ist bis heute erhalten. 

§ 4 Das Kapital soll als „unangreiflicher Fond“ erhalten und sicher belegt werden, nur die Zinsen und Erträge dürfen verwendet werden – auch für Stipendien „an die bedürfende studirende Jugend“.

Die Verteilung der Gelder an die Armen oblag dem Magistrat der Stadt.

§ 6 Die Armen sind „durch jährliche Beyhülfen […] zur Arbeitsamkeit und Förderung eigenen redlichen Erwerbes  […] anzuhalten, zumahl auch Stipendiaten, nemlich bedürftige sich dem Studiren widmende Kinder gesammter Bewohner dieser Stadt, die Gaben haben, was zu lernen, und deren Eltern unvermögend sind, an dieser wohlthätigen Anstalt, nach meinem Willen Theil nehmen sollen […] Vorzüglich sollen bedacht werden alte Leute und Arme, die fleißig sind, und fort wollen, und nicht können“.

Im Stadtarchiv sind sowohl die jährlichen Rechungen über die Einnahmen und Ausgaben des Römerschen Legats erhalten geblieben, als auch die Gesuche von Studierenden um Unterstützung. 

Die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg zerstörte die Kapitalbasis vieler Stiftungen und Legate. Durch einen Beschluss der städtischen Kollegien vom 22. Juni 1928 wurden daher folgende Stiftungen zusammengelegt:

Die Wilhelminen-Stiftung und die Legate von Skobel, Bierwirth, Leuenroth, Haase und Beer wurden zur Stiftung Ratzeburger Wohltäter vereinigt. 

 Zu einem weiteren Zusammenschluss kam es neun Jahre später. Die Stiftung Ratzeburger Wohltäter wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1937 mit folgenden anderen zusammengeschlossen:

a)      Rohrdanz’sches Legat

b)      Spehr’sche Stiftungen

c)      Rütz’sches Legat

d)      Römer’sches Legat

e)      Weber’sches Legat

f)       Brömel-Stiftung 

Die Zweckbestimmungen der früheren Einzelstiftungen sind zum größten Teil als Stiftungszwecke der neuen Stiftung übernommen worden. Die Vermögenswerte dienten u.a. der Unterstützung alter, hilfsbedürftiger Einwohner und der Gewährung von Studienstipendien. 

Die Stiftung Ratzeburger Wohltäter existiert bis heute. Zweck der Stiftung ist nach der Satzung „die Unterstützung alter und Förderung junger hilfsbedürftiger Ratzeburger Einwohner“. Das Stiftungsvermögen wird nicht angetastet, verwendet werden lediglich die Zinserträge. Über die jeweiligen Fördermaßnahmen entscheidet der für Sozialangelegenheiten zuständige Ausschuss nach Abstimmung mit dem für Jugendarbeit zuständigen Ausschuss.