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Ratzeburger Baugeschichten - Bahnhofsallee 21

Ratzeburger Baugeschichten
Bahnhofsallee 21

1925 ließ der Geschäftsführer der Ortskrankenkasse, Karl Stage, in der damals noch selbständigen Gemeinde St. Georgsberg sein Wohnhaus errichten. Der Kaufpreis für das Grundstück betrug 1,- Mark / Quadratmeter. Sämtliche Pläne, Kostenvoranschläge, Rechnungen und sogar ein kleines Modell des Hauses hat der Bauherr aufgehoben. Eine Auswahl dieser Unterlagen möchten wir in diesem Monat präsentieren.

Eine Baugeschichte berichtet von Hans-Werner Kuhlmann


Bahnhofsallee 21, 1926

Das Haus in der Bahnhofsallee ist mein Geburtshaus (nun ja, die tatsächliche Geburt fand im Ratzeburger Krankenhaus statt.). Mein Großvater hatte das Haus 1925 genau gegenüber seinem Arbeitsplatz, auch damals schon der AOK, bauen lassen. Ich weiß nicht viel über die Geschichte des Hauses vor meiner Zeit. Fest steht, dass in diesem Haus zeitweilig bis zu drei Kinder gelebt haben. Im Krieg hat dort auch ein russischer Zwangsarbeiter gelebt - die 2 Töchter waren im Kriegsdienst -, zu dem es wohl ein fast freundschaftliches Verhältnis gegeben hat.



Bahnhofsallee 21, 1930 

Ich erinnere mich, dass es - wie damals üblich - einen Hühnerstall gab und dass hin und wieder Tiere auf dem Hof geschlachtet wurden.

Grundstückserwerb DIGI_STADT_BAHNHOFSALLLEE
Grundstückserwerb und Wegebaugenehmigung
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Baupläne der Bahnhofsallee 21
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Richtspruch
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Ich habe schon als Kind den Ausblick vom Haus bis zu den Türmen Lübecks, heute bis zum Maritim in Travemünde, bewundert. Die Bahnhofsallee war damals mit Linden bestanden; vor dem Haus befand sich eine steile Böschung zur Bahnhofsallee. Die war schon in den 1950er und 1960er Jahren extrem stark befahren. Ich habe das als Kind genossen und besonders am Wochenende oben auf der Böschung gesessen und Strichlisten mit Automarken und Kennzeichen geführt. Nachdem meine Eltern von Ratzeburg an den Niederrhein gezogen waren, habe ich dennoch jedes Jahr die Ferien in diesem Haus verbracht. Haus und Garten, aber natürlich auch die Umgebung waren für mich jedes Mal ein Paradies! Ich musste die wunderbar süßen Kirschen pflücken, die an die Kaufleute Olk oder Schliffke verkauft wurden. Ich konnte im Garten in Bäumen klettern und um das Haus herum mit Wissen meiner Großmutter Kröten oder Stichlinge verstecken, die ich irgendwo am Küchensee gefangen hatte.

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Auch 1925 kam es beim Bauen schon zu Streitigkeiten
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Damals fuhren auf der Eisenbahnstrecke durch Ratzeburg auch D-Züge, sogar zeitweilig von Kopenhagen nach Rom, was meinen Großvater dazu veranlasste, den Zug den "Kopenhagen-Ratzeburg-Rom-Express" zu nennen. Ich reiste einmal mit einem D-Zug von Köln aus in den Ferien an. Der hielt eigentlich nicht in Ratzeburg; ich hätte also bis Lübeck fahren müssen. Damals war die Welt aber noch anders strukturiert: Mein Großvater kannte den Bahnhofsvorsteher, der stellte das Ausfahrtsignal auf "Halt", und so konnte ich in Ratzeburg aussteigen.

 


Rechnungen von Ratzeburger Unternehmen

Nach dem Tod meines Großvaters wohnte meine Großmutter noch lange alleine im Haus (sie wurde 99 Jahre alt) und hielt bis zuletzt den großen Garten in Stand; Unkraut wurde mit dem Gehstock beseitigt.


Bahnhofsallee 21, 1976

Es ist für mich verwunderlich, dass es noch die Baupläne von 1925 gibt, aber keine Pläne von den Veränderungen, die es über die Jahre gegeben hat. Nun ja, "Schwarzbauten" waren es sicher nicht, es sei denn, man wollte renommierte Ratzeburger Bauunternehmer der jeweiligen Zeit "anschwärzen"...


Ein Modellentwurf des Architekten aus dem Jahr 1925

 Text: Hans-Werner Kuhlmann