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Ratzeburger Baugeschichten - Ratzeburgs Wasserturm

Ratzeburger Baugeschichten
Ratzeburgs Wasserturm
 

Die sichere Versorgung mit Trinkwasser in hoher Qualität ist heute für uns eine Selbstverständlichkeit. Die zentrale Wasserversorgung in unserer Stadt ist allerdings noch nicht einmal hundert Jahre alt. Über Jahrhunderte nahmen die Bewohner Ratzeburgs das Wasser, das sie für den täglichen Bedarf brauchten, aus den Seen sowie aus den privaten und öffentlichen Brunnen. Dort, wo die Straße „Fünfhausen“ in die Fischerstraße einmündet, erinnert die letzte der zwölf alten Pumpen an die Zeit vor der Einführung der öffentlichen Wasserversorgung. Die Erkenntnisse, die man im 19. Jahrhundert über die Bedeutung der Wasserhygiene gewann, führten allerorts zu Überlegungen, die Wasserversorgung zu verbessern. In Ratzeburg beschäftigte sich der Magistrat seit 1887 mit diesem Thema. 

1898 richtete die Firma Palmer und Fehrer, die das Gaswerk in Ratzeburg betrieb, ein Angebot an die Stadt,  ein Wasserwerk zu bauen und zu betreiben. Nach längeren Verhandlungen zwischen Palmer und der Stadt wurde Anfang Juli 1902 ein entsprechender Vertrag zwischen der Stadt und dem Unternehmer Palmer unterzeichnet. Die Genehmigung zum Bau eines Wasserturms erfolgt am 28. Juli 1902. Dieser Turm sollte gleichzeitig als Aussichtsturm dienen, um vor allem den Touristen einen besonderen Anziehungspunkt zu bieten. In den folgenden Monaten schritten die Arbeiten an der zentralen Wasserversorgung immer weiter voran. Am 12. September 1904 teilte Emil Palmer dem Magistrat mit, dass der Wasserturm fertiggestellt sei. 

Der Turm „erhob sich über quadratischem Grundriss und ist als Musterbeispiel einer in neuromanischen Formen erbauten Architektur anzusehen. Über einem Betonsockel erhebt sich ein hoher schlanker Backsteinturm mit Eckquaderung in Rauputz. Das Untergeschoss weist neben seinem großen, rundbogigen Eingangsportal Rundbogen- und darüberliegende Rundfester auf, deren Laibungen mit Sichtquadern in Keilsteinform optisch betont wurden. Ein vortretendes profiliertes Gesims trennt das Unter- vom ersten Obergeschoss. […] Den oberen Abschluss bildete ein leicht vorspringender Turmaufsatz mit Zinnenaufsätzen an den Kanten.“  (Technische Denkmäler 2, S. 429, zitiert bei Kaack, 1987, S. 297)

   

Dieser erste Wasserturm ist aus dem Stadtbild völlig verschwunden und doch vollständig erhalten. Seit Mitte der 1930er Jahre umgibt ihn nämlich die Hülle des neuen Wasserturms, ein achteckiges Betonskelett mit einer Ausmauerung aus Klinkersteinen. Auch der neue Wasserturm erhielt eine Aussichtsplattform. 

 

Ein Werk über technische Denkmäler beschreibt den Wasserturm ausführlich:

Gegenüber dem ersten Wasserturm ist die architektonische Gestaltung der Ummantelung in den 30er Jahren sehr viel einfacher und sparsamer durchgeführt worden. Ein achteckiges Stahlbetonskelett wurde um den ersten Wasserturm herumgelegt und die Gefache mit rotbraunem Backstein gefüllt. Schlitzartige und rechteckige Fensteröffnungen durchbrechen die Wände; sie haben indessen keine wirkliche Funktion, da sie lediglich die unbetretbaren nach unten zu offenen Zwischenräume zwischen den Außenwänden des alten und den Innenwänden des neuen Wasserturms belichten. Auf der Krone des alten Wasserturms wurde eine weite, offene Aussichtsplattform angelegt, oberhalb derer der Stahlbetonbehälter mit einem Fassungsvermögen von 260 cbm angeordnet ist. Schmale, schlanke Schlitzfenster belichten den begehbaren Zwischenraum zwischen Behälter und Außenwand. Eine hohe Fahnenstange auf dem flachen Dach schließt den Wasserturm ab, der als einzige Schmuckform über dem Eingangsportal das Ratzeburger Stadtwappen trägt und seine Kanten mit sägezahnartig vorspringenden Backsteinen besetzt hat.“ (Technische Denkmäler 2, S. 429, zitiert bei Kaack, 1987, S. 375) 

 

Daneben existiert auf dem St. Georgsberg ein weiterer Wasserturm (am Jakob-Falke-Weg). St. Georgsberg, damals noch eigenständige Gemeinde, hatte sich 1927 zum Bau einer eigenen Wasserversorgungsanlage mit einem eigenen Wasserturm entschlossen. Ein Jahr später erfolgte allerdings schon die Eingemeindung in die Stadt Ratzeburg. Damit ging auch die neu erbaute Anlage in den Besitz der Stadt über. 

Beide Bauwerke sind für Wasserturmenthusiasten so interessant, dass sie Eingang gefunden haben, in das Wissensportal Wikipedia:

Wasserturm Ratzeburg Hindenburghöhe

Wasserturm Ratzeburg St. Georsgberg

Literatur: Stadtwerke Ratzeburg (Hrsg.): 75 Jahre Wasser- und elektrizitätsversorgung in Ratzeburg. Zusammengestellt von Hans-Georg Kaack, 1978.
Hans-Georg Kaack: Ratzeburg. Geschichte einer Inselstadt. Neumünster 1987.