Seiteninhalt

Ratzeburger Baugeschichten - Das Burgtheater

Ratzeburger Baugeschichten
Das Burgtheater

Die Geschichte des Gebäudes, aus dem 1950 das Burgtheater wurde, reicht weit zurück.Der darunter liegende Pulverkeller stammt aus dem 17. Jahrhundert, als Ratzeburg zu einer Festung ausgebaut wurde. Neben den eigentlichen Festungsanlagen wurden damals auch verschiedene Pulver- und Proviantgewölbe errichtet, die vor allem an der Süd- und Ostseite der Stadtinsel entstanden, wo sie bei einer Beschießung weniger gefährdet waren. 

In Louis Hellwigs vor dem Ersten Weltkrieg erschienenen Chronik der Stadt Ratzeburg heißt es: „Übrigens befanden sich Befestigungen außer am Langenbrücker-  und vor dem Lüneburger Tor auch auf der Südseite der Insel. Dort lag die sogenannte Augustenburg, deren Kasematten noch heutigen Tages der Aktienbrauerei als Keller dienen.

1817 hatte ein gewisser Mey das Werk erworben und ein langes Gebäude errichtet bzw. zu Wohnungen für kleine Leute ausgebaut. Da Unsauberkeit und Elend dort bald überhand nahmen, nannte der Volkswitz das Gebäude den „langen Jammer!; 1853 ist es abgebrochen und eine Brauerei daselbst errichtet worden.“ (L. Hellwig, Chronik der Stadt Ratzeburg, Ratzeburg 2. Auflage 1929, S. 60) 

Heinrich Mey verkaufte die Augustenburg 1854 an den Brauer Johann Heinrich Boye, der auf den alten Kasematten ein neues Gebäude errichtete, in dem er eine Lagerbierbrauerei gründete. Dazu gehörte auch eine Gaststätte: die „Bierhalle“. Zehn Jahre später wurde das Geschäft an eine Aktiengesellschaft abgetreten, „die zuerst – wie man erzählt – eine Wasserheilanstalt daraus zu machen gedachte.“

Es blieb jedoch beim Brauereibetrieb, der erheblich modernisiert und erweitert wurde, sodass jährlich 2000 Tonnen Bier gebraut werden konnten. Im Januar 1864 nahm das neue Unternehmen seinen Betrieb auf. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stand der von Brauereidirektor H. Rautenberg geleitete Betrieb „in höchster Blüte“ und entwickelte sich „zu dem unstreitig bedeutendsten Industrieunternehmen Ratzeburgs“. (L. Hellwig, Chronik der Stadt Ratzeburg, Ratzeburg 2. Auflage 1929, S. 80) 

1919 wurde die Ratzeburger Brauerei an die Lübecker Aktienbrauerei verkauft, die den Braubetrieb in der Inselstadt einstellte. Das Grundstück wurde verkauft und die Maschinen und Braugeräte entfernte man aus dem Gebäude, das danach wieder für Wohnzwecke eingerichtet wurde.Der hohe Schornstein des Maschinenhauses wurde durch eine Sprengung 1920 beseitigt, ein zweiter Fabrikschornstein blieb zunächst erhalten. 

Anfang der 1920er Jahre wurde durch Ernst Wegwerth ein Kino eingebaut, das den Namen „Schauburg“ trug. Am 24. Dezember 1924 teilte der Kinobesitzer mit, „dass er das von ihm erbaute Kino am 25. d. Mts. in Betrieb setzt“.

1932 erwarb Ernst Steinhusen das Kino und stattete es mit den Apparaturen aus, die erforderlich waren, um die neu aufgekommenen Tonfilme zeigen zu können. Auch in den folgenden Jahren waren hohe Investitionen notwendig, um die „Schauburg“ auf dem neuesten technischen Stand halten zu können. 1936 wurde erneut renoviert und umgebaut. Das Theater erhielt eine Bühne, sodass die Filmvorführungen mit den damals beliebten Bühnenschauen verbunden werden konnten. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich Ernst Steinhusen seinen Traum vom Umbau des Kinos zu einem „richtigen“ Theater erfüllen. Das Projekt, das der Hamburger Architekt Cäsar Pinnau leitete, kostete rund eine halbe Million Mark. Während der Umbauarbeiten lief der Kinobetrieb in der städtischen Turnhalle weiter. 

Zur Neueröffnung des „Burgtheaters“ am 10. November 1950 wurde der erste deutsche Nachkriegsfarbfilm „Schwarzwaldmädel“ mit Sonja Ziemann und Rudolf Prack aufgeführt. Wenige Tage später gastierte das Hamburger Thalia-Theater mit der Komödie „Das Mädchen vom sechsten Stock“. Das alte Lichtspieltheater war zum Bühnenraum geworden. Die Zahl der Plätze hatte sich von 350 auf 520 erhöht. 

Die Erwartungen, die in das Burgtheater gesetzt wurden, waren hoch. Die Einrichtung sollte zu einem „kulturellen Zentrum“ werden. 1957 rüstete Ernst Steinhusen sein Kino mit Cinemascope und Breitwand aus. 

 

1952 wurden im Burgtheater über 118.000 Zuschauer gezählt – erst als das Fernsehen massenhaft Einzug in die deutschen Wohnzimmer hielt, kam es zu einem deutlichen Einbruch der Besucherzahlen.

ARCHIVALE_OKTOBER_2011
(bitte aufrufen)

In der Zeit des Kinosterbens sah sich Steinhusen nicht mehr in der Lage, das Theater zu erhalten. Als es sogar Pläne gab, hier einen Supermarkt einziehen zu lassen, entschloss sich die Stadt Ratzeburg 1970, das Haus zu kaufen. In der Folge wurde das Burgtheater umfangreich renoviert. Nicht nur Kinovorstellungen, sondern auch Theatergastspiele fanden hier statt. 

ARCHIVALE_OKTOBER_2011
(bitte aufrufen)

ARCHIVALE_OKTOBER_2011
                                                  (bitte aufrufen)

Bis 1995 blieb das Gebäude im Besitz der Stadt und wurde dann an einen Investor verkauft, der das Kino nach längerer Sanierung im Dezember 2000 wieder eröffnete. Seither werden in farblich unterschiedlich gestalteten Sälen (blau, rot und grün) Filme gezeigt. 

Nach der Insolvenz des Investors wurde ab 2003 erneut intensiv über die Zukunft des Burgtheaters diskutiert, ehe das Haus 2006 an den jetzigen Besitzer verkauft wurde.