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Archivale 01/2009 - Kämmereirechnung der Stadt Ratzeburg des Jahres 1710 (Stadtarchiv Ratzeburg Nr. 1)


Wer von einer Kämmereirechnung nur nüchternes Zahlenmaterial erwartet, wird überrascht sein von der Fülle an Informationen, die in diesen Rechnungen steckt. 

Die Kämmereirechnungen sind Jahresrechnungen, in denen sämtliche Einnahmen und Ausgaben der Stadt Ratzeburg für das jeweilige Rechnungsjahr aufgezeichnet sind. Diese Rechnungen liegen als gebundene Bücher seit dem Jahr 1710 fast vollständig vor. Das vorliegende Exemplar ist also die älteste erhaltene dieser Rechnungen. 

Die Kämmereirechnungen bieten nicht nur einen Einblick in die Entwicklung der städtischen Finanzen, sondern sind ebenso wichtige Quellen für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, die Familienforschung und die Erforschung einzelner städtischer Gebäude. 1710, 17 Jahre nach der völligen Zerstörung Ratzeburgs durch die dänische Beschießung im Sommer 1693, befand sich die Stadt noch immer im Wiederaufbau. 1704 war das neue Rathaus am Markt fertig geworden, die Alte Wache wird um 1710 errichtet. 

Die Rechnung des Jahres 1710 wurde von dem Ratsherrn und Kämmerer Joachim Christoph Clasen geführt. Die „Polizeiordnung der Stadt Ratzeburg“ aus dem Jahr 1582 schrieb vor, dass der Rat der Stadt aus zwei Bürgermeistern und sechs Ratsherren bestehen sollte. Zwei dieser Ratsherren fungierten als Kämmerer. Ihnen unterstand die gesamte Finanz- und Grundstücksverwaltung der Stadt. Joachim Christoph Clasen war 1653 in Ratzeburg geboren worden. Er wurde 1701 Bürger der Stadt und 1706 Ratsherr. Er war Amtmann, Brauer und Branntweinbrenner und wohnte am Markt. 1731 ist er in Ratzeburg gestorben. 

Am Anfang jeder Jahresrechnung stehen jeweils die „Monita“ (Beanstandungen) zu der Vorjahresrechnung („Die Quitungen und Belege sind hinkünfftig ordentlich einzubinden, damit keines davon abhänden kommen könne.“). Es folgt eine Aufstellung des „Corpus bonorum“ der Stadt, also ein Güterverzeichnis („Specification derer, der Stadt Ratzeburg eigenthümlich zugehörigen Güther, daher sie Nutzen, oder Einkommen hat“). Hier sind die städtischen Immobilien aufgeführt, die Gebäude (u.a. Rathaus, Schule und Lange Brücke), Holzungen, Äcker und Wiesen. Es folgen die beweglichen Güter. Hier findet man das Inventar des Rathauses und der Schule, die Stadtsiegel und Stempel sowie Bau- und Feuergerätschaften. Schließlich sind auch „sich bewegende Güter“ verzeichnet – der Stadtbulle und zwei städtische Eber! 

Insgesamt stehen in der Jahresrechnung den Ausgaben in Höhe von 9259 Mark (lübsch)14 Schillingen Einnahmen in Höhe von 11145 Mark (lübsch) 11 ¾ Schillingen gegenüber, es verblieb also ein Überschuss in Höhe von 1885 Mark und 13 ¾ Schillingen. 

Die bedeutendste Einnahmequelle der Stadt war der Holzverkauf aus den städtischen Holzungen, die immerhin mit 4672 Mark zu Buche stehen. Die Einnahme aus dem Brückengeld, das für die Benutzung der Langen Brücke entrichtet werden musste, betrug 522 Mark und 4 Schillinge, die Bierakzise, eine Verbrauchssteuer,  erbrachte 690 Mark. Bei den Ausgaben spielen die „bezahlten Kapitalien und Zinsen“ (5112 Mark) die größte Rolle. Es folgen die Ausgaben für Besoldungen und Baukosten 

Eine einfache Umrechnung der genannten Beträge in heutige Währung ist oft wenig aussagekräftig, da sich das gesamte Verhältnis von Löhnen und Preisen völlig geändert hat. Einige Beispiele aus der Kämmereirechnung helfen eher, eine Vorstellung vom Wert der genannten Beträge zu gewinnen. So erhielt der Stadtsekretär Joachim Christoph Tiede jährlich 300 Mark, der Brückengeldeinnehmer, der Stadtknecht und der Organist bekamen jährlich 60 Mark ausbezahlt. Eine Tonne Bier dagegen kostete 6 Mark und 12 Schillinge. Die Kosten für Essen und Trinken bei der Einführung des zweiten Prediger an St. Petri, Johann Heinrich Bussenius, beliefen sich auf 51 Mark und 4 Schillinge. Für dessen Umzug von Vellahn nach Ratzeburg mit zwei Wagen zahlte die Stadt 16 Mark. Und schließlich erhielt der Bürgermeister Beneke für das „Stadt-Rind“, den städtischen Bullen, ein jährliches Futtergeld in Höhe von 18 Mark.

Diese Seite führt die Ausgaben für das Weidegeld auf, das für die Nutzung von Weideflächen in den Ortschaften Salem und Schmilau gezahlt wurde:
„Denen Schmilower Hausleuthen sind die gewöhnliche 2 Tonnen Bier für die Weyde, von Peter Schlöpken abgefolget, und diesem bezahlet 13 Mk. 8 ß“.