Seiteninhalt

Archivale 03/2010 - 50 Jahre Städtepartnerschaft mit Châtillon-sur-Seine

Die Stadt Ratzeburg feiert in diesem Jahr das 50-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft mit Châtillon-sur-Seine. Informationen über die Anfänge der Partnerschaft zwischen beiden Städten finden sich in einer Akte des Stadtarchivs (Bestand III, Nr. 1499). 

 

Die Erfahrung der beiden Weltkriege ließ  nach 1945 zahlreiche Initiativen für einen europäischen Zusammenschluss entstehen. Im September 1946 trafen sich Vertreter verschiedener europäischer Länder in Hertenstein am Vierwaldstätter See (Schweiz). Sie verabschiedeten das Hertensteiner Programm und gründeten im Dezember 1946 einen europäischen Dachverband, die „Union Europeénne des Fédéralistes“ (UEF), dem die ebenfalls im Dezember 1946 gegründete Europa-Union Deutschlands beitrat. 

Die Europa-Union erklärte im Januar 1947 das „Hertensteiner Programm“ als verbindlich. Mehr und mehr wurde die Europa-Union zum Träger des Gedankens eines vereinten Europa. Ein Kreisverband Herzogtum Lauenburg der Europa-Union wurde am 5. März 1955 in Schwarzenbek gegründet.

Starke Impulse für den europäischen Gedanken gingen vom Rat der Gemeinden Europas (seit 1984 Rat der Gemeinden und Regionen Europas) aus, der 1951 von deutschen und französischen Bürgermeistern mit dem Ziel gegründet wurde, Annäherung und Verständigung der Völker Europas zu fördern. Der Rat entwickelte ein Partnerschaftskonzept, dem die Idee zugrunde lag, dass ein vereintes und friedliches Europa am besten von seiner Basis her aufgebaut werden kann.

Im März 1957 wurden die Römischen Verträge unterzeichnet. Sie bildeten die Grundlage der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Im selben Jahr wurde Ratzeburg Mitglied in der Europa-Union und wandte sich mit dem Wunsch an die Union, ihr eine Stadt zu vermitteln, zu der sie Kontakt aufnehmen könnte.

Der erste Schriftwechsel ...
Der erste Schriftwechsel ... (bitte anklicken!)

Am 5. Dezember 1957 traf in Ratzeburg ein Schreiben des Generalsekretariats der Europa-Union ein mit der Mitteilung, dass Châtillon-sur-Seine bereit sei, eine Partnerschaft mit Ratzeburg einzugehen. Im März 1958 schrieb dann der Bürgermeister von Châtillon, Gaston Bernard, in seinem ersten Brief an Ratzeburgs Bürgermeister Dr. Otto Hofer: „Wir wollen zukünftig Beziehungen anknüpfen, die nicht nur die Behörden der Städte, sondern auch die Einwohner derselben in Verbindung setzen werden. Ich bin davon überzeugt, dass diese Beziehungen freundschaftlich und dauerhaft sein werden und dass die Stimmung einer weitgehenden und aufrichtigen Verständigung herrschen wird.“ 

Anfang Oktober 1959 reiste Dr. Hofer erstmalig nach Châtillon und kehrte mit der Überzeugung zurück, dass „die Bürger der Städte Châtillon und Ratzeburg auf breiter Grundlage in wahrem europäischen Geist zusammenarbeiten werden.“

Erstmaliger Besuch in Châtillon - Bürgermeister Dr. Otto Hofer (Mitte), Bürgermeister Gaston Bernard (Rechts)

Besiegelt wurde die Partnerschaft am 10. Juli 1960 in Châtillon mit einem feierlichen Verbrüderungszeremoniell, an dem auch Delegationen aus Esneux (Belgien) und Manziana (Italien) teilnahmen.

In seiner Festrede sagte Bürgermeister Hofer: „Die Opfer der letzten Kriege verpflichten uns, unsere ganze Kraft für eine glückliche Zukunft Europas einzusetzen. Eine glückliche Zukunft kann aber nur auf dem Frieden und der Einigkeit der europäischen Völker gegründet werden. Wenn ein geeintes Europa politisch wirksam werden soll, ist es zunächst erforderlich, dass die Menschen sich über die Grenzen hinweg verstehen lernen, dass ihre Herzen zueinander finden.“

Berichterstattung in Frankreich
Berichterstattung in Frankreich ... (bitte anklicken!)

Noch im September 1960 konnten die Ratzeburger einen Gegenbesuch aus Châtillon in ihrer Stadt willkommen heißen und schon im folgenden Jahr wurde der Schüleraustausch aufgenommen.

 Châtillon hatte Verbindungen zu den belgischen Städten Esneux und Walcourt geknüpft und Anfang Juli 1966 fuhr eine Ratzeburger Delegation zum Verbrüderungstreffen der Städte Châtillon, Esneux und Walcourt nach Frankreich. Im folgenden Jahr waren die Ratzeburger bei den Feierlichkeiten in Walcourt dabei. So bildete sich allmählich der „Ring“ der Verbrüderungsstädte heraus. 

Beim Verbrüderungstreffen in Ratzeburg vom 22. bis zum 25. August 1969 hatten Tausende von Ratzeburgern die Möglichkeit, die glanzvollen Veranstaltungen mitzuerleben. Am 23. August 1969 wurden dann die Urkunden ausgetauscht, „die den schon seit langem zwischen Ratzeburg und Châtillon-sur-Seine bestehenden europäischen Freundschaftspakt auch mit den belgischen Städten Esneux-sur-Ourthe und Walcourt besiegeln.“ Bei dieser Gelegenheit wurden auch die beiden belgischen Stadtwappen im Wappenfenster des Rathauses enthüllt. 

Seit dieser Zeit finden im festen Turnus die jährlichen Treffen abwechselnd in den vier Verbrüderungsstädten statt. Darüber hinaus haben sich im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Kontakte zwischen Vertretern der Vereine und Verbände, zwischen Schulen und Privatpersonen ergeben.   


 Lübecker Nachrichten (26. August 1960)