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10.12.2020

Apfelbäume für Meinungsfreiheit und Demokratie

 „Apfelbäume für Meinungsfreiheit und Demokratie“ ist der Titel eines außergewöhnlichen Projektes, das die BUND Ortsgruppe Ratzeburg bei der Partnerschaft für Demokratie Stadt Ratzeburg – Amt Lauenburgische Seen im Frühjahr 2020 zur Förderung beantragt hatte und dort mit breiter Zustimmung bewilligt bekam. Ziel des Projektes ist es, markante Orte zu schaffen, an denen Apfelbäume auf das Glück hinweisen, dass jeder in diesem Land seine Meinung frei äußern darf, wissend, dass dies nicht immer so war und vielfach unter großen Opfern erkämpft werden musste. Dass dabei gerade Apfelbäume als Erinnerungspunkte zum Einsatz kommen, hat eine besondere Bewandtnis. Gepflanzt wurden durchweg Korbiniansäpfel samt Bestäuber. Diese Sorte ist benannt nach dem katholischen Priester Korbinian Aigner (1885-1966). Der Korbiniansapfel - oder ursprünglich prosaisch KZ-3 genannt - wurde von Korbinian Aigner während seiner Gefangenschaft im KZ Dachau gezüchtet, wohin er wegen seiner anti-nationalsozialistischen Haltung verbracht worden war. Die bis heute erhaltene Apfelsorte ist wegen ihrer Entstehungsgeschichte ein biologisches Mahnmal gegen Gewaltherrschaft geworden, die stets mit der Unterdrückung der Meinungsfreiheit beginnt. Grundlage für die Verhaftung Korbinian Aigners war das am 20.12.1934 erlassene „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen“. So schuf sich der NS-Staat die gesetzliche Grundlage zur Verfolgung von Menschen mit abweichender Meinung. Die Apfelbäume sind mithin biologisches Mahnmale gegen Gewaltherrschaft und für den demokratischen Rechtsstaat, dien hundert Jahre alt werden können und somit nachhaltig einer langfristige 'Erinnerung' dienen.

Auch im Herzogtum Lauenburg gab es vielfältige Auswirkungen der nationalsozialistischen Unrechtsherrschaft. So erinnert das Projekt "Apfelbäume für Meinungsfreiheit und Demokratie" an die entwürdigende Behandlung der vielen Zwangsarbeitenden, die ins NS-Reich unverschleppt worden waren und unter oft unmenschlichen Bedingungen auch im Herzogtum arbeiten mussten sowie an die zahlreichen dokumentierten Fälle von Zwangssterilisationen im Zuge des NS-Rassenwahns. Mit all diesen Orten hat sich die Projektgruppe im BUND Ratzeburg intensiv beschäftigt und dabei als Partner die Gemeinde Sankt Petri, die Lauenburgische Gelehrtenschule, die Stadt Ratzeburg und die Dörfer Fredeburg, Ziethen und Kittlitz gewinnen können.

An bisher sieben Standorten sind bereits Korbiniansapfelbäume gepflanzt worden. So hat die die St. Petri Gemeinde zur Erinnerung an Korbinian Aigner und den Ratzeburger Superintendenten Johannes Lange, der in der Nazi-Zeit der Vereinnahmung durch die deutsch-christliche Ideologie mutig Widerstand entgegensetzte, einen Korbiniansapfel im Rahmen einer Andacht zum Buß- und Bettag hinter der St- Petri-Kirche gepflanzt. An der Lauenburgischen Gelehrtenschule erforschte Susanne Baudach mit Schüler*innen des 10. Jahrgangs, was sich im lokalen Umfeld an Zeugnissen von Verschleppung und Zwangsarbeit finden lässt. Aber auch andere Bereiche der Gewaltherrschaft wie Zwangssterilisation wurden untersucht. Dafür waren Archivalien, alte Zeitungsberichte, Grabmäler und eventuell auch noch die Erinnerung von Zeitzeugen wichtige Quellen.

Auch an den Standorten in Wietingsbek und dem Röpersberg in Ratzeburg erinnern die Apfelbäume an Fälle von Zwangssterilisationen unter dem Naziregime, in Rosenhagen und Niendorf bei Kittlitz an dokumentierte Falle von Zwangsarbeit. In Fredeburg wird in Eigenarbeit ein Erinnerungsort geschaffen. An allen Standorten werden in der Folge noch Hinweistafeln mit QR-Codes aufgestellt, die über Korbinian Aigner, den gewählten Orten und die Erinnerungsbezüge informieren sollen.

Das Projekt wurde über das Bundesprogramm "Demokratie leben! durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und durch das Grünamt der Stadt Ratzeburg fachlich unterstützt.

www.partnerschaftdemokratie.de
© Partnerschaft für Demokratie der Stadt Ratzeburg und des Amtes Lauenburgische Seen 

http://www.demokratie-leben.de/