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20.07.2021

Innovatives Wurzelkammersystem soll Straßenbäume schützen

Straßen- und Alleebäume haben es schwer, wie Heinrich Meyer vom städtischen Grünflächenamt zu berichten weiß. "Auch wenn es uns gefällt, dass Verkehrswege von schattenspendenden Bäumen gesäumt und Natur mit dem Straßenbau scheinbar in Einklang gebracht werden. Diese Bäume sind Alibibäume, denen wir kaum etwas Gutes tun", fällt die kritische Bilanz des Experten aus. Seine Begründung ist einleuchtend. "Diese Bäume haben keinen natürlichen Standort, der ihnen Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Verdichteter und versiegelter Boden, Druckbelastungen durch den Verkehr, das alles macht ihnen zu schaffen und behindert ihre Entfaltung", so Heinrich Meyer. Sichtbare Zeichen dieser schlechten Lebensbedingungen sind kümmerlicher Wuchs, aber auch wiederkehrende Straßen- und Gehwegsaufbrüche, ein Kampf des Baumes gegen seine wenig standortgerechte Umgebung. Das Problem liegt dabei vor allem in der Tiefe. Der Wurzelbereich, die sogenannte Baumscheibe eines Baumes, entspricht in der Regel seinem Baumkronenumfang. An Straßen lässt sich dieser aber nicht entsprechend ausbilden. Die Wurzeln müssen ausweichen und sich Wege durch Asphalt und Stein suchen oder sie verkümmern unter dem steten Druck der Verkehrsbelastungen mit ihren Erschütterungen und Vibrationen. 

Am Beispiel des Ferdinand-Sauerbruch-Weges, der vor zwei Jahren aufwendig saniert werden musste, lässt sich dies gut nachvollziehen. Dort wurden im Zuge der Neuanlage im Jahr 2000 gefällige, aber im Nachhinein standortungeeignete Silberweiden gepflanzt. Deren flaches Wurzelwerk widersetzte sich erfolgreich den vorgegebenen Beschränkungen der im Zuge der Baumaßnahme wiederum zu klein ausgelegten Baumscheiben und führte zunehmend zu großen Problemen in der Bausubstanz. Ein aufwendiger und auch teurer Baumtausch wurde notwendig. Allerdings bot sich im Ferdinand-Sauerbruch-Weg auch ein ideales Versuchsfeld, die Neuanpflanzung so zu gestalten, dass die Bäume und der umgehende Verkehrsraum besser aufeinander abgestimmt werden können. Dazu wurde zum einem mit dem tiefwurzelnden Baumhasel eine standortgerechtere Baumart gewählt. Dazu wurde die Baumscheibe deutlich vergrößert und durch einen Pflanzkasten aus Beton umgeben, um so ihre schleichende Verdichtung zu verhindern und auch Versackungen der Fahrbahn vorzubeugen.


Die Frage, wie der Übergangsbereich zwischen Verkehrsflächen und Baumscheiben gestaltet werden kann, um den extrem hochverdichteten Untergrund der Verkehrsflächen von den extrem wenig verdichteten Lebensbereichen der Bäume in geeigneter Weise zu trennen, wird inzwischen viel diskutiert, vor allem endlich auch aus Sicht der Bäume, wie Heinrich Meyer positiv feststellt. Um hier mehr Erfahrungen zu sammeln, kommen bei der Straßenanlage im Neubaugebiet "Seedorfer Straße" erstmalig kunststoffbasierte Wurzelkammersysteme zum Einsatz, die in eben dieser Weise die Bäume unterstützen sollen. Wurzelkammersysteme bieten den Bäumen einen gesicherten durchwurzelbaren Raum. So können sich die Wurzeln frei entfalten und dem Baum genügend Nähstoffe für ein gesundes Wachstum liefern. Durch den Einsatz des Wurzelkammersystems werden die Wurzeln von der Oberfläche weg in die Tiefe gelenkt. Dort finden sie genügend Wasser und verankern sich fest gegen Windlast. Das innovative System “Tree Tanks“ der Fa. Wavin wirkt wir ineinandergefügte Getränkekisten, leichte würfelförmige Kunststoffkomponenten, die in jeglicher Form völlig variabel zusammengesetzt werden können. Sie werden im Boden verbaut und sind später völlig unsichtbar. "Natürlich ist es ein Abwägungsprozess, solche Kunststoffsysteme in den Boden einzubringen", sagt Heinrich Meyer, nicht unbedingt ein Freund von Plastik als Baustoff. Allerdings möchte er trotzdem auch Innovationen mit Offenheit begegnen und das System "Tree Tank" zumindest einmal auszuprobieren und in seiner Wirkungsweise studieren zu können. "Wir verbauen an der Seedorfer Straße aktuell 14 solcher Wurzelkammersysteme und werden deren Wirkung in den kommenden Jahren mit Blick auf die Entwicklung der dort gepflanzten Stadtbäume für uns bewerten", sagt Heinrich Meyer.