Seiteninhalt

Archivale 04/2020 - 30 Jahre Deutsche Einheit - 30 Jahre Städtepartnerschaft Ratzeburg - Schönberg

Der 9. November 1989 und die darauf folgenden Tage sind für diejenigen, die sie in der Nähe der ehemaligen Grenze miterleben konnten, mit tiefen Emotionen verbunden. 86 Kilometer innerdeutsche Grenze hatten jahrzehntelang den Kreis Herzogtum Lauenburg vom benachbarten Mecklenburg getrennt. Die Existenz der innerdeutschen Grenze hatte historisch gewachsene Verbindungen unterbrochen, familiäre und freundschaftliche Kontakte zerschnitten und sich auch erheblich auf die Wirtschaftsstruktur und die wirtschaftliche Entwicklung des Kreises in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg ausgewirkt. Vor allem in Ratzeburg war immer wieder davon die Rede, dass nach Osten hin das Umland fehle. So war gerade hier die Euphorie in den Novembertagen des Jahres 1989 besonders spürbar, als die Mauer fiel und die Grenze offen stand.

Kurz nachdem sich die Meldung von der Pressekonferenz Günter Schabowskis verbreitet hatte, wurden auch zwischen dem Kreis Herzogtum Lauenburg und dem benachbarten Mecklenburg die Grenzübergänge geöffnet. Für unsere Stadt war die Öffnung der Bundesstraße 208 zwischen Mustin und Gadebusch am Sonntag, d. 12. November ein besonderer Höhepunkt dieser ereignisreichen Tage. Tausende fuhren am 12. November 1989 nach Mustin, um dort die Grenzöffnung mitzuerleben. Die lange getrennten Nachbarn aus Ost und West feierten ein spontanes Volksfest (siehe Archivale 2/2009).

Schon in den ersten Wochen nach der Grenzöffnung wurden nicht nur private, sondern auch zahlreiche offizielle Kontakte geknüpft. Viele Vereine, Institutionen und Kommunen suchten Verbindungen und Partnerschaften.  Im kulturellen Bereich nutzte Ratzeburgs Kirchenmusikdirektor Neithard Bethke die Chance Bindungen zu knüpfen bzw. zu vertiefen. Die Ratzeburger Domgemeinde und die Gemeinde in Schönberg feierten in Schönberg am Heiligabend gemeinsam einen Gottesdienst, den Pastor Voß und Domprobst Uwe Steffen gestalteten.  Weihnachten und Silvester brachten noch einen besonderen Schwung in den Aufbau von Beziehungen zwischen den Nachbarn in Ost und West, da für die West-Bürger ab Weihnachten ein Besuch in der DDR ohne Visum und Zwangsumtausch möglich war. So konnten dieses Mal die Bundesbürger durch „ein Spalier der Freude“ fahren und wurden in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember 1989 überschwänglich an der DDR-Grenze begrüßt. Über eine Million Menschen nutzten die Festtage zu einem Kurzbesuch in der DDR.

Zahlreiche Kommunen der benachbarten Kreise in Ost und West begaben sich schon in den Novemberwochen des Jahres 1989 auf Partnersuche. Zwischen Schönberg und Ratzeburg war eine Basis längst gelegt. Erste Initiativen, mit der Stadt Schönberg wegen einer Städtepartnerschaft ins Gespräch zu kommen, gab es im hiesigen Ausschuss für Fremdenverkehr und Kultur bereits im Herbst 1987. Der Magistrat fasste einen entsprechenden Beschluss am 11. Januar 1988. Auch in Schönberg hatte sich die Stadtverordnetenversammlung positiv zu einer Städtepartnerschaft geäußert.  So waren erste Fäden geknüpft als es in den Wochen nach der Grenzöffnung zahlreiche gegenseitige Besuche gab. Ein offizieller Antrag der Stadt Schönberg für eine Städtepartnerschaft ging am 19. Dezember 1989 in Ratzeburg ein. Die städtischen Gremien stimmten der Partnerschaft im Frühjahr 1990 zu und am 7. Oktober 1990, nur vier Tage nachdem die deutsche Einheit vollzogen war, wurden im Ratssaal des Ratzeburger Rathauses die Partnerschaftsurkunden unterzeichnet.

Der 7. Oktober war auch der Gründungstag der DDR. Darauf wies  Schönbergs Bürgermeister Rudolf Volk in seiner Rede hin: „Dass es nun das Datum einer Städtepartnerschaft ist, ist ein Grund mehr, das nicht zu vergessen.“ Durch die Grenzöffnung und die Entwicklung, die in den darauf folgenden Monaten und Jahren in ganz Europa stattgefunden hatte, lagen Ratzeburg und der Kreis Herzogtum Lauenburg nicht mehr am Rand zum „Eisernen Vorhang“, sondern wieder „mitten drin“ in Europa.