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Ratzeburger Baugeschichten

Die Welt um uns herum verändert sich ständig. Das gilt für die vom Menschen gestaltete Landschaft, in noch stärkerem Maß aber für die Dörfer und Städte. Ständig wird irgendwo ein altes Gebäude abgerissen und ein neues entsteht an seiner Stelle. Handelt es sich um prägnante Bauwerke, dann bleibt die Veränderung den Menschen lange Zeit bewusst, oft erinnern wir uns schon nach kurzer Zeit nur noch mit Mühe, was sich an der Stelle des neuen Gebäudes befunden hat.

Es ist eine wesentliche Aufgabe unserer Archive solche Veränderungen zu dokumentieren. Das Schriftgut der Verwaltung ist eine wichtige Quelle für den Wandel der Welt um uns herum.

Im Jahr 2011 sollen sich "Ratzeburger Baugeschichten" wie ein roter Faden durch unsere Reihe mit „Archivalien des Monats“ ziehen und auch den Jahresschwerpunkt in unserem "Digitalen Stadtarchiv" bilden.

Gerne möchten wir neben Dokumenten aus dem Stadtarchiv auch private Fotos mit Erläuterungen und Anmerkungen veröffentlichen. Sicher gibt es in vielen privaten Fotoalben Aufnahmen vom Bau des eigenen Hauses – vom Ausschachten der Baugrube über das Richtfest bis hin zur Einweihung des neuen Heims. Wir würden uns freuen, wenn Bürgerinnen und Bürger uns solche Dokumente zur Verfügung stellen könnten.

Materialabgabe

Christian Lopau nimmt mittwochs und freitags im städtischen Archiv, Demolierung 2, gerne entsprechendes Material zur Gestaltung der Online-Dokumentation auf der Ratzeburger Homepage entgegen. Möglichkeiten zur Digitalisierung von Fotos und Dokumenten sind vorhanden. Nach Sichtung und Verarbeitung werden die zur Verfügung gestellten Materialien natürlich wieder zurückgegeben.

40 Jahre Seniorenwohnsitz Ratzeburg (SWR)

In diesem Jahr feiert der Seniorenwohnsitz Ratzeburg (SWR) sein 40-jähriges Bestehen.

Ein 9-köpfiges Preisgericht unter Vorsitz von Prof. G. Nissen hatte am 19. Juni 1970 im Rahmen eines Wettbewrbes acht eingereichte Architektenentwürfe begutachtet und entschied sich für den Vorschlag des Architektenbüros H. Mensinga und D. Rogalla aus Hamburg. Der Siegerentwurf wurde mit 17.000 DM dotiert. Die Lübecker Nachrichten berichtete  unter der Überschrift "Seniorenwohnsitz Ratzeburg - eine Alten-Superstadt" in großer Aufmachung über das Vorhaben

 

Im Herbst 1972 begann der Bau des Seniorenwohnsitzes, die Grundsteinlegung erfolgte am 29. November.  Mit einer Investitionssumme von 75 Mio. Mark war es damals das größte Bauvorhaben im Kreis Herzogtum Lauenburg und gleichzeitig eines der größten Projekte seiner Art in Norddeutschland.

Geschäftsführender Direktor Gerhard von Hofen (Mitte) bei einer Baubegehung

Im Laufe des Jahres 1973 schritt das Projekt rasch voran und am 26. Oktober 1973 wehte über dem Bau eine sechs Meter hohe Richtkrone.

Bürgermeister Dr. Peter Schmidt gratuliert dem Hamburger Unternehmer Theo Urbach anläßlich des Richtfestes 1974

 

.. ein Schnappschuss auf der Baustelle...

Das größte Bauprojekt in der jüngeren Geschichte der Stadt konnte 1974 abgeschlossen werden. Im Mai wurde der Seniorenwohnsitz Ratzeburg (SWR) bezugsfertig. Werbeaktionen in der Presse und im Fernsehen hatten ein großes Interesse zur Folge. Im Juni war fast die Hälfte der 505 Appartements bereits vergeben. Der volle Betrieb der Anlage konnte im Herbst 1974 aufgenommen werden.

Die ersten Bewohner ziehen ein

Das Bewegungsbad und das Park-Restaurant mit seinen 250 Plätzen standen künftig allen Bewohnern der Stadt zur Verfügung.

20 Jahre später beging der Seniorenwohnsitz mit einer großen Jubiläumsfeier sein 20-jähriges Bestehen. Im Jubiläumsjahr wurde an einem neuen Altenpflegehaus auf dem Gelände gebaut, das zum Januar 1995 bezugsfertig war. Schon im Dezember konnte die neue Einrichtung bei einem „Tag der offenen Tür“ besichtigt werden. Geschäftsführer Michael Stark lobte das Haus als „das beste und modernste in Schleswig-Holstein“.

Das Haus ist im Laufe seines inzwischen 40-jährigen Bestehens laufend den gewachsenen Ansprüchen und Bedürfnissen seiner Bewohner angepasst worden. Mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen wird das Jubiläum 2014 begangen.

Dokumentation der Stadtsanierung

Im Rahmen einer Aktenabgabe durch den Fachbereich „Stadtplanung, Bauen und Liegenschaften“ erhielt das Stadtarchiv zwei Leitzordner mit Fotos und anderen Dokumenten zur Stadtsanierung in Ratzeburg.

Die Sanierung und Erneuerung des Gebäudebestandes auf der Insel war ab Mitte der 1960er Jahre ein Schwerpunkt der Stadtentwicklung Ratzeburgs.

Bürgermeister Friedhelm Schöber, seit 1962 im Amt, formulierte in einem Grundsatzreferat in der Aula der alten Lauenburgischen Gelehrtenschule am 4. März 1964 ein „Leitbild“ für die weitere Entwicklung der Stadt. Mit der Sanierung „sollte die Zonengrenzstadt Ratzeburg ihren Beitrag dazu leisten, die Funktion, die gesellschaftliche Aufgabe und die städtebauliche Form einer kleinen Stadt in besonders bevorzugter landschaftlicher Lage am Rande von großen Ballungsräumen, aber auch der derzeitigen Weltgrenze zwischen Ost und West zu bestimmen.“

Die exemplarische Bedeutung des Ratzeburger Sanierungsprojektes kam darin zum Ausdruck, dass die beabsichtigte Stadterneuerung nach Abstimmung mit den Behörden des Kreises und des Landes durch einen Erlass des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung im November 1964 als Modellfall anerkannt wurde. Friedhelm Schöber konnte bundesweit renommierte Fachplaner für Städtebau, Verkehrsplanung, Landschaftsgestaltung und soziologische Problem-stellungen für die Vorbereitung der Maßnahmen gewinnen.

Domhof

Wie dringend erforderlich eine Modernisierung der Gebäudesubstanz war, zeigen die Ergebnisse einer soziologischen Untersuchung aus dem Mai 1966, in der u.a. die haustechnische Ausstattung der betroffenen Haushalte dargestellt wurde. Damals hatten 64 % der im Sanierungsgebiet lebenden Bewohner keine Toilette in der Wohnung.

Neben der Gesamtsanierung des historischen Stadtkerns wurden aber noch weitergehendere Ziele formuliert. Dazu zählten u.a.

  • Wirtschaftliche Umstrukturierung
  • Neuordnung des Verkehrs
  • Neuordnung der städtischen Funktionen als zentraler Ort
  • Schaffung fahrverkehrsfreier Fußgängerbereiche in der Altstadt
  • Verlegung der Bundesstraße und
  • Einrichtung eines neuen Erholungsbereichs für den Tourismus

Planerische Grundlage für das weitere Vorgehen wurde der Bebauungsplan Nr. 1 aus dem Jahr 1967. Gleichzeitig war es notwendig Flächen für einen Ersatzwohnungsbau im Bereich des Exerzierplatzes / Mecklenburger Straße zu schaffen.

Die umfangreiche Dokumentation der damals getroffenen Maßnahmen belegt den Modellcharakter der Stadtsanierung in Ratzeburg.

Wir präsentieren Ihnen hier eine Auswahl der Fotos, die jetzt an das Stadtarchiv abgegeben wurden.

Das Ratzeburger Lehrerseminar

Das Landschulwesen im Herzogtum Lauenburg war, aller Reformversuche zum Trotz, bis in das 19. Jahrhundert hinein in einem beklagenswerten Zustand. Eine zentrale Frage bei der Verbesserung des Schulwesens war die Ausbildung der Lehrer. Bis zur Errichtung des Lauenburgischen „Schullehrer-Präparanden-Instituts“, das vor allem der Initiative des Superintendenten Carl Friedrich Wilhelm Catenhusen (*1792 in Ratzeburg +1853 in Ratzeburg) zu verdanken ist, gab es im Herzogtum Lauenburg kein eigenes Institut für die Vorbereitung der Lehranwärter. 1836 wurde die Ausbildung der Anwärter an die Stadtschule in Ratzeburg angegliedert.

Ratzeburger Seminaristen um 1920 (Aufnahme aus dem Nachlass von Emil Bubert, 2 v.r.)

Das Präparandeum wurde nach der Angliederung des Herzogtums an Preußen zu einem Lehrerseminar ausgebaut, dessen Eröffnung am 15. Oktober 1873 in Ratzeburg stattfand. Unter den 137 Lehrern im Herzogtum Lauenburg waren 1876 schon 101 ehemalige Präparanden, die in Ratzeburg ausgebildet worden waren.

Aus der Abgangszeitung 1922

 

Die Lehrerausbildung wurde weiter ausgebaut. Stadt, Kreis und preußischer Staat einigten sich auf die gemeinsame Finanzierung des Baus und der Unterhaltung eines Seminargebäudes. 1893 übernahm der preußische Staat die Trägerschaft des Lauenburgischen Lehrerseminars, das im Herbst 1895 in ein dreiklassiges Seminar umgewandelt wurde.

1894 bis 1896 wurde in den Gärten im südlichen Teil der Demolierung ein Neubau errichtet. L. Hellwig berichtet in seiner Stadtchronik: „Besondere Sorgfalt erforderte die Fundamentierung des Baus auf dem sumpfigen Terrain. Der letzte Stamm des Pfahlrostes, der 569., wurde am 14. Mai 1865 eingeschlagen.“

ARCHIVALE_JULI_2013

Das neue Seminargebäude wurde am 9. November 1896 eröffnet und bestand bis zum 20. März 1926. In Preußen wurden die Lehrerseminare in der Zeit der Weimarer Republik durch die neue eingerichteten Pädagogischen Akademien abgelöst.

ARCHIVALE_JULI_2013

 

Nachdem das Gebäude anschließend für kurze Zeit leer stand, wurde es von der Stadt für eigene Schulzwecke erworben, um das „gänzlich veraltete und unzweckmäßige Schulgebäude der Stadtschule am Bauhof“ zu ersetzen. Nach Abschluss der notwendigen Umbauten wurde das bisherige Seminargebäude Mitte Oktober 1927 als Stadtschule wieder eingeweiht. Mit dem enormen Anwachsen der Schülerzahlen nach dem Ende wurde eine Neuverteilung der in Ratzeburg vorhandenen Schulräume notwendig. Der damaligen Mittelschule, der späteren Ernst-Barlach-Realschule, wurde das ehemalige Seminargebäude zugewiesen.

Bis zum Auszug der Gemeinschaftsschule in den Neubau an der Heinrich-Scheele-Straße hat das Gebäude als Schule gedient.

Aus der "Bergfest"-Zeitung 1920

Literatur: L. Hellwig: Chronik der Stadt Ratzeburg. Ratzeburg (2. Aufl.) 1929.

Christian Lopau: Wandlung im Bildungswesen, in: Zwischen Stillstand und Wandel. Der besondere Weg des Kreises Herzogtum Lauenburg in die Moderne. Hrsg. W. Boehart u.a., Schwarzenbek 2001.

Wilhelm Prillwitz: Beiträge zur Geschichte der Ratzeburger Stadtschule. Ratzeburg 1957.

Zur Geschichte der Ratzeburger Genossenschaftsmolkerei

Direkt an der Seestraße entsteht derzeit das Wohnprojekt "Alte Meierei". Dies ist Anlass, einen Rückblick auf die Geschichte der Ratzeburger Genossenschaftsmeierei zu werfen, die diesem Projekt den Namen gegeben hat.

Die Molkerei-Genossenschaft wurde im Februar 1889 gegründet und schon im Oktober des gleichen Jahres konnte die Meierei ihren Betrieb aufnehmen. Dies ist in den Berichten der "Lauenburgischen Zeitung" zu entnehmen, die unten nachzulesen sind.

1927 wurden die Gebäude erweitert und umgebaut. Die Fotoserie dieser Baumaßnahme wurde dem Stadtarchiv von einem privaten Fotoalbum zur Verfügung gestellt.

Dampfkessel der Ratzeburger Genossenschaftsmolkerei

(bitte aufrufen)

Umfangreiche Baumaßnahmen wurden auch Mitte der 1950er Jahre vorgenommen. Am 19. November 1955 feierte die Meierei nach 7-monatiger Bauzeit ihr Richtfest für den ersten Bauabschnitt, der die neuen Betriebsräume umfasste.

Richtfest der Ratzeburger Genossenschaftsmolkerei

(bitte aufrufen)

Im zweiten Bauabschnitt wurden die Kontorräume und das Laboratorium erstellt sowie die Fassade modernisiert.

75 Jahre Molkerei-Genossenschaft

(bitte aufrufen)

Im Februar 1964 feierte die Molkerei-Genossenschaft mit dem Festball bei Wittlers ihr 75-jähriges Bestehen. In seinem Grußwort betonte Walther Dohrn, der Direktor der Kreissparkasse: "Wir Städter sollten nicht nur mehr Milch trinken, sondern auch bereit sein, der Landwirtschaft dafür den gebührenden Preis zu bezahlen."

Ende Oktober 2004 stellte die Ratzeburger Molkerei-Genossenschaft ihre Produktion ein und wurde zum 30. November liquidiert. Die Preiseinbrüche auf dem Milchmarkt hatten zu diesem Ende geführt.

Aus der "Lauenburgischer Zeitung" Nr. 17 vom 7. Februar 1889

"Ratzeburger Genossenschafts-Molkerei". Die am Montag [4. Februar 1889] behufs Gründung einer 'Molkerei-Genossenschaft zu Ratzeburg' einberufene Versammlung war von Landwirten aus Ratzeburg und Umgebung gut besucht. Nachdem das im Entwurf vorliegende Statut einer eingehenden Diskussion unterzogen und mit unwesentlichen Änderungen angenommen war, konstituierte sich auf Grund desselben die Genossenschaft mit 25 Mitgliedern, welche 279 Kühe zeichneten.

Die Zahl der Genossenschaftler dürfte aber noch größer werden, da Anmeldungen zum Beitritt bis zum Montag, 18. ds. Mts. nachmittags beim Maurermeister Bartels - Ratzeburg erfolgen können und wohl mancher kleiner Landwirte den ihm durch den Beitritt zur Molkerei-Genossenschaft gebotenen Vorteil noch rechtzeitig erkennt. An diesem Tag nachmittags 3 Uhr findet dann eine Versammlung der Genossenschaftler statt, in welcher an Stelle der jetzigen geschäftsführenden Kommission der Vorstand gewählt werden soll. Man hofft, den Betrieb der Molkerei bereits am 1.7. ds. Jhs. eröffnen zu können."

Kesselanlage der  Ratzeburger Genossenschaftsmolkerei

(bitte aufrufen)

Aus der "Lauenburgischen Landeszeitung" Nr. 122 vom 15. Oktober 1889

"Die Ratzeburger Genossenschaft-Molkerei eröffnet mit dem 16. d. M. den Betrieb."

"Die Ratzeburger Molkerei-Genossenschaft. Einem geehrten Publikum Ratzeburgs hierdurch die ergebene Mitteilung, daß mit der Betriebs-Eröffnung der Molkerei der Verkauf der Molkereiprodukte am Mittwoch, d. 16. d. Mts. beginnt. Vom genannten Tage ab werden die Verkaufswagen der Genossenschaft, welche sämtliche Molkereiprodukte mit sich führen, an jedem Vormittage in den Straßen der Stadt fahren und außerdem im Laden der Molkerei ein Verkauf von Milch, Butter und Käse stattfinden. Die Tagespreise sind an den Verkaufswagen angeschlagen.

Bestellungen für bestimmte Zeiten des Tages werden im Laden oder Comptoir der Molkerei-Genossenschaft, woselbst auch evtl. Beschwerden über unpünktliche Lieferung etc. anzubringen sind. Indem die Genossenschaft für beste Produkte bei den niedrigsten Tagespreisen sorgen wird, bittet sie um rege Unterstützung des Unternehmens.

Ratzeburg, 15. Oktober 1889
Der Vorstand"

Aus der "Lauenburgischen Landeszeitung" Nr. 62 vom 29. Mai 1890

"Die hiesige Genossenschafts-Molkerei hat heute mit dem Milchausschank in ihren Räumlichkeiten begonnen, womit manchem Morgen-Spaziergänger eine besondere Annehmlichkeit geboten sein dürfte. Der Garten der Molkerei, welcher jetzt auch einen Anlegerplatz für das Dampfschiff 'Auguste' erhalten hat, steht im ersten Grün und findet bereits fleißige Besucher."

Die «Fürstin-Bismarck-DRK-Siedlung« in Ratzeburg

Die Fotos, die uns von Rainer Voth zur Verfügung gestellt wurden, zeigen das Richtfest für die Häuser der Fürstin-Bismarck-DRK-Siedlung in der Treptower Straße.

Der Bau der Siedlung wurde maßgeblich durch das Hilfswerk der Fürstin Ann Mari von Bismarck (1907-1999) unterstützt. Die Fürstin stammte aus Schweden und begann unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg damit, Hilfe für die zahlreichen Flüchtlinge zu organisieren, die in unseren Kreis gekommen waren. Während es zunächst um Lebensmittel und Bekleidung ging, hat die Fürstin Bismarck später vor allem in den USA und den skandinavischen Ländern Spenden eingeworben, um in Deutschland den Siedlungsbau für besonders bedürftige Familien fördern zu können. Das Hilfswerk war seit 1951 an das DRK angegliedert.

Solche Siedlungen entstanden in mehreren Gemeinden des Kreises Herzogtum Lauenburg. Die erste Siedlung, die mit Mitteln errichtet werden konnte, die die Fürstin eingeworben hatte, entstand 1952 in Klempau. Insgesamt wurden in acht Orten bis 1966 182 Kleinsiedlungen errichtet. Neben den Spendengeldern aus Amerika, Schweden und Finnland wurden die Bauprojekte durch Landes- und Aufbaudarlehen nach dem Lastenausgleichsgesetz finanziert.

Die Fürstin-Bismarck-DRK-Siedlung in Ratzeburg

Die letzte große Hilfsaktion wurde durch das Hilfswerk nach der Flutkatastrophe im Februar 1962 organisiert. 1966 stellte das Hilfswerk sein soziales Engagement ein.

Das Richtfest in der Treptower Straße fand am 6. September 1954 statt. Aus Anlass des Richtfestes wurde Ann Mari von Bismarck das neugeschaffene Ehrenzeichen in Gold vom DRK-Präsidenten Dr. Weitz verliehen.

Das Hilfswerk legte besonderes Gewicht auf eine enge Verbindung zwischen Spendern und Empfängern: „Im Gegensatz zur Anonymität größerer Organisationen wussten die Spender dadurch sehr genau, bei wem ihre Spende angekommen war und lernten aufgrund der Dankesbriefe eventuell sogar die Lebenssituation der Hilfsbedürftigen kennen.“ (Oberländer S. 151)

So trugen auch die Häuser in Ratzeburg Namen, die von den Spendern ausgesucht wurden oder

„Namen […], die erkennen lassen, woher die Spenden geflossen sind, die sozusagen die Initialzündung zu den Siedlungsbauten gaben". (Bericht über das Richtfest in der "Lauenburgischen Zeitung" vom 7. September 1954)

Die Fürstin-Bismarck-DRK-Siedlung in Ratzeburg

Die Benennung der Treptower Straße durch die Stadtvertretung erfolgte am 12. Oktober 1954.

Literatur: Christiane Oberländer „Das Flüchtlingshilfswerk der Ann Mari Fürstin von Bismarck (1945-1966), in: Terra et Mars. Aspekte der Landes- und Militärgeschichte, Festschrift für Eckardt Opitz zum 65. Geburtstag, Hrsg. von Michael Busch, Neumünster 2003, S. 135-156.

Zur Geschichte der Häuser Domhof 46 und 48

Ein Blick auf die beiden Häuser Domhof 46 (links) und Domhof 48 (rechts)

Der Ratzeburger Dom ist nie umgebaut worden - weil das Geld fehlte. So blieb seine ursprüngliche Schönheit und Ausstrahlung erhalten.

Geldmangel hat in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dazu geführt, dass die nördliche Umgehung auf der Ratzeburger Insel nicht gebaut wurde. So blieben einige der alten Häuser auf dem Domhof erhalten.

Am südlichen Eingang zum Domhof, gegenüber der ehemaligen Domkaserne, steht eines der ältesten Gebäude Ratzeburgs. Es handelt sich um ein Doppelhaus, ein traufständiges eingeschossiges Einfamilienhaus mit Fachwerkaußenwänden, einem kleinen Teilkeller und einem Satteldach mit Krüppelwalm: Domhof 46.

Domhof 46

Eine Legende zur Karte des Domhofes von C.F. von Persson (1714) weist dieses Haus zusammen mit der nördlichen Hälfte als "Kirchenhaus" aus.

Nach der großen Zerstörung Ratzeburgs durch die Dänen, setzte auch auf dem selbständigen Domhof eine rege Bautätigkeit ein. Datiert wird das Gebäude Nr. 44/46 auf das Jahr 1696. In den folgenden über 300 Jahren erfolgten mehrere Aus - und Umbauten, die an den besonderen Merkmalen der Bauepochen erkennbar sind.

Zum Grundstück gehört auch das Nebengebäude, Haus Nr. 48, mit dem "Heinrichstein", einem bedeutenden Kulturdenkmal aus weitgehend unbehauenem Granit mit schlichtem Kreuz und lateinischer Inschrift aus der Zeit um 1166, an der Ecke zur Kleinen Kreuzstraße. Datiert wird der Bau des Nebengebäudes auf die Zeit um 1815.

Die Häuser Nr.46 und Nr. 48 sowie der Heinrichstein stehen unter strengem Denkmalschutz.

Man muss in so einem Gebäude wohnen wollen: Keine rechtwinklige Ecke, schiefe Decken und sichtbares Fachwerk auch im Haus. Kleine alte Möbel, die schon viele Umzüge überstanden haben, machen das Wohnen gemütlich, moderne Kistenmöbel scheitern an den krummen Wänden.

Gebaut wurde das Gebäude Nr. 44/46 für Handwerker, Haus Nr.44 bewohnte ein Schornsteinfeger, Haus Nr. 46 ein Maurermeister. Der Verkauf des Hauses 1752 wurde von der Domkirche abgelehnt mit der Begründung: "Man muss einen Maurermeister zur Hand haben, der auf jeden Wink zu Dienste steht und es ist nützlich in gewissen Fällen einen Schornsteinfeger in der Nähe zu haben". („Müssen conventable Wohnungen haben, besonders der Maurermeister, der sich in der Stadt keiner Arbeiten zu erfreuen hat.")

Aus politischen Gründen war es anscheinend damals wichtig, dass niemand außer der mecklenburgischen Landesherrschaft und der Domkirche über die auf dem Domhof liegenden Gründe zu bestimmen hatte. Schon in ältester Zeit galt hier der von Wilhelm Prillwitz zitierte Grundsatz: „Lieber das Geld zinsbar leihen, als unbewegliche Güter zu verkaufen.“

Diese Äußerungen dokumentieren auch die geachtete Grenze zwischen der Stadt und dem selbstständigen Dombezirk. Nach heutigem Verständnis sollte man meinen, dass nach der Zerstörung Ratzeburgs 1693 auch für den Stadtbezirk jeder Maurermeister für den Wiederaufbau gebraucht wurde. Der "Domhofmaurermeister" musste sich seine Arbeit im weiteren Bistum suchen.

Immer wieder sind es Maurermeister, die das Haus bewohnen:

Hans Medler (gest. am 19.5.1704), Michael Gaubitz (gest. am 7.6. 1718), Gabriel Dierßen (gest. am 12.10.1751), Johann Heinrich Dierßen (geb.2.6.1712), die Ehefrau des Franz Schütze (Schütt, Schutz), geb. Aue(n)(geb.28.8.1763), Johann Nicolaus Goldhorn (geb. 6.4.1795), Johann August Willers (geb. 15.12.1751, gest. am 21.10.1814), Friedrich Conrad Willers (geb.31.7.1814, gest. 1863).

Eine wesentliche Erweiterung nach Südosten erfolgte in der Biedermeierzeit und wird um 1830 datiert. Möglicherweise erfolgte die Erweiterung, bevor der Maurermeister Friedrich Christ. Conrad Willers das Haus übernahm.

Damals wurde das Haus zu den 4 Fächern um 2 Fächer erweitert, die Fachwerkkonstruktion weist dafür typische Veränderungen auf:

Domhof 46: Türgriff aus dem Biedermeier

Domhof 46: Barocker Türbeschlag

Links außen "Halber Mann", rechts durchgehende Strebe, weiterhin die Haustür mit originellem Kastenschloss und Drückergarnitur (typische Teilung der Fächer und Aufteilung des Oberlichtes in dekorativ geschwungener Versprossung), die Dielentreppe und einige Zimmertüren. Zeitgleich mit der Haustür sind die beiden einflügeligen sechsteiligen kleinen Fenster mit zum Teil klassischen Eckwinkeln eingebaut worden. Das große vierflügelige Fenster in der Straßenfront weist ebenfalls in Gestalt und Ausführung auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts, wobei die Eckwinkel teilweise noch aus dem 18. Jahrhundert stammen und wie in den Zeiten üblich wiederverwendet worden sind.

Laut eines Zeitungsartikels vom 14.9.1850 sollte das Haus unter der Hand verkauft werden. Gekauft hat es der Böter Peter Friedrich Heinrich Röper, dieser stirbt 1857.

Der Maurermeister Willers stirbt mit 55 Jahren an Schwindsucht 1863. Er ist als Eigentümer des Hauses dokumentiert.

Die Giebelfassade mit dem Krüppelwalm dokumentiert einen weiteren Umbau in der Gründerzeit. Die sichtbaren Zeugen dafür sind das rechte Fenster, die Bretterverkleidung der südlichen Front und der straßenseitige Zaun zwischen Haus Nr. 46 und 48 mit den geschwungenen Verzierungen sowie die wieder eingebauten Kachelöfen in Form und Verzierung. Die ebenfalls aus der Gründerzeit stammende Veranda ist erhalten und steht als einseitig offenes Gartenhaus auf dem Grundstück.

Der nächste Besitzer des Grundstückes war der Schuhmachermeister August Hacker. Dieser hat das Haus Nr. 48 als Werkstatt genutzt. Die Witwe Sophie Hacker bewohnte die Haushälfte mit ihren Söhnen. Diese suchten sich aber neue Arbeitsstellen in Hamburg als Elektrotechniker und Schumacher.

August Theodor Hacker starb 1927, 62 Jahre alt.

Am 23.1.1933 wurde der Rentner Martin Jennerjahn im Grundbuch eingetragen. Von dieser Familie übernimmt Frau Dr. Gabriele Kjer die Häuser und das Grundstück 1986 mit allen Möbeln und sonstigem Inhalt. Weder unter dem Kopfkissen noch in den Schränken wird der vermutete Sparstrumpf der Witwe Jennerjahn gefunden. Zur Sanierung werden die drei Kachelöfen abgebaut und siehe da, auf dem Kachelofen im Wohnzimmer unter einer losen Kachel finden die Ofenbauer die lang gesuchte Schatulle mit beträchtlichem Inhalt.

Domhof 46: Wieder aufgebauter Kachelofen aus der Gründerzeit

Von 1986 bis 1988 dauert die gründliche Sanierung der Haushälfte Nr.46. Unter ständiger Begleitung durch die Denkmalpflege wird das Haus saniert. Alle bautechnischen Details werden wieder verwendet, als da sind: Fenster, Türen, Treppe und Fußböden. Die einzige Veränderung ist die Dachgaube auf der Straßenseite. Nicht sicher einzuordnen ist der kleine Keller, möglicherweise handelt es sich um einen Keller der die Zerstörung von Ratzeburg 1693 überstanden hat und in den Neubau 1696 integriert worden ist. Der mächtige Birnbaum zwischen den Gebäuden ist 2008 abgestorben und musste aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gefällt werden.

Domhof 46: Treppenaufgang

Kjers haben mit ihren Kindern das Haus nur kurz bewohnt, weil sie sich beruflich verändern mussten.

Ein ruhiger Sonntagnachmittag lenkte meinen Blick 1990 zufällig auf die Verkaufsanzeige in den Lübecker Nachrichten. Nach etwas komplizierten Verhandlungen wurden wir uns schließlich einig und wir kauften das Anwesen.

Domhof 48 mit dem Eingang zur Kleinen Kreuzstraße

Zu sanieren war noch das Haus Nr. 48 am Heinrichstein. Eine letzte Möglichkeit, Gelder zur Sanierung zu bekommen, musste sofort genutzt und zügig mit der Arbeit begonnen werden, denn in den folgenden Jahren wurden alle öffentlichen Gelder für Sanierungen in den neuen Bundesländern dringender benötigt.

Domhof 48: Innenaufnahme des Erdgeschosses

Domhof 48: Innenaufnahme des Obergeschosses

Die Denkmalpflegebehörde war jederzeit behilflich und dank nachbarschaftlicher Hilfe aus dem Dienstsitz Brunsmark ging die Sanierung gut voran. Wesentliche Vorgabe war die Erhaltung des Stallcharakters im Gebäude, lange war es als Stall und Werkstatt genutzt. Mit dem Kauf durch die Familie Jennerjahn war es zu Wohnzwecken isoliert worden.

Domhof 48: Treppe aus einheimischem Holz (Rüster / Ulme)

Bei der Entkernung im Obergeschoss, fanden wir auf einem zur Wärmedämmung verwendeten Pappkarton das Datum 1. Juni 1933 deutlich sichtbar. Mit vielen Blauköpfen (kleine Nägel mit flachem Kopf) waren Persilkartons unter die Decke genagelt worden.

Der frühere Hinteraufgang zum Haus Nr. 48

Über eine extra Luke auf der östlichen Rückseite erreichte man von außen den kleinen Boden für Futtervorräte und Stroh. Außerdem beherbergte dieser Teil des Hauses den ziemlich luftigen "Donnerbalken" für beide Häuser und einen Hühnerstall. Die Hühnerflöhe spürten schnell die animalische Wärme und überfielen freudig die Entkernungsmannschaft. Mehrere Jahre hatten sie auf diesen Moment gewartet.

Die Rückseite des Hauses Domhof 48 mit dem 2008 gefällten Birnbaum

Vor dem Zweiten Weltkrieg, während des Krieges und vor allem in den ersten Jahren nach dem Krieg beherbergte das Haus Familien mit mehreren Kindern. Am 1. September1954 eröffnete der in Ratzeburg bekannte Architekt Reinhard Hein sein erstes Büro in dem Gebäude.

Bei der Übernahme war eine äußerst primitive Ferienwohnung eingerichtet.

Nicht bekannt ist, warum im Erdgeschoss Eichenholz und im Obergeschoss Nadelholz für das Fachwerk verwendet worden ist. In einer Zwischenwand fand sich im Erdgeschoss ein Eichenbalken aus einer Zweitverwendung, der durch das Dendrochronologische Institut der Universität Hamburg auf das Jahr 1787 (Fälljahr im Walde) datiert wurde.

Dachziegel mit Prägungen der Herstellerziegeleien ( SP - Sankt Petri, ME - Mecklenburg) an den Zapfen

Alle roten S-förmigen Tondachpfannen wurden wieder verwendet. Einzelne Dachziegel hatten an den Zapfen Prägungen der Herstellerziegeleien ( SP - Sankt Petri, ME - Mecklenburg). Eine Firstpfanne war deutlich als Feierabendpfanne des Ziegelmeisters gekennzeichnet. Diese hängt zur Dekoration im Flur des kleinen Hauses. Die Außentüren auf der Rückseite sind mit originalen Schlössern und Beschlägen erhalten.

Rokoko- Schmuckurne aus Oberkirchener Sandstein mit den Initialen AF IV

Ein besonderer Fund im Garten war eine etwa einen Meter hohe Rokoko- Schmuckurne aus Oberkirchener Sandstein mit den Initialen AF IV (Adolf Friedrich IV.). Etwas ungläubig folgte mir der damalige Museumsdirektor Dr. Hans-Georg Kaack. Er bestätigte dann aber, dass es sich bei den etwas verschlungenen Buchstaben um die Initialen von Fritz Reuters " Durchläuchting " handelt, der auch das Herrenhaus auf dem Domhof hat bauen lassen. Da sich auch der Fuß der Urne bei den Pflasterarbeiten im Garten fand, konnten beide Teile zusammengefügt werden und verschönern heute den Garten zwischen beiden Häusern. Gab es früher ein Eingangstor zum Domhof, auf dessen Pfosten die Urne gestanden haben könnte?

Der Eingang ins Haus war lange nur von der Rückseite möglich, daher trug es die Nummer Nr. 48. Heute befindet sich der Eingang auf der Seite zur Kleinen Kreuzstraße.

Haus Nr.46 bewohnen wir selbst. Haus Nr. 48 beherbergte zunächst Büro des Architekten Dr. Braun, dann mehrere Jahre eine Ferienwohnung und jetzt ist es eine Mietwohnung.

Das Wohnen auf dem Domhof ist etwas Besonderes. Fast selbstverständlich wird man von der Ausstrahlung des Domes angezogen. Der Flair der Jahrhunderte währenden speziellen Verwaltung, die der Domhof als mecklenburgische Enklave hatte, wird deutlich durch die im Straßenpflaster eingelassenen großen Grenzsteine mit dem Kreuz. Auch das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 hat dies nicht restlos überwinden können. Nach der Vereinigung der Kirchenkreise, die für das Frühjahr 2012 vorgesehen ist, wird wohl die Sonderstellung des bis jetzt noch zur mecklenburgischen Landeskirche gehörenden Domes verloren gehen.

Literatur und Quellen:

Braun, Frank / Mai, Klaus: Modernisierungsgutachten der Häuser von 1986 und 1990

Finke, Manfred / Knüppel, Robert / Mai, Klaus: Historische Häuser in Lübeck. Lübeck 1989

Jennerjahn: Nachlassakten

Kaack, Hans-Georg: Ratzeburg - Geschichte einer Inselstadt. Neumünster 1987

Kiesow, Gottfried: Kulturgeschichte sehen lernen. 2001

Prillwitz, Wilhelm: Unveröffentlichte Aufzeichnungen zur Stadtgeschichte (Stadtarchiv Ratzeburg)

Schmidt, Peter: Unveröffentlichte Aufzeichnungen

Der Neubau des Kirchturms von St. Petri vor 100 Jahren

Die heutige Petrikirche wurde am 27. November 1791, dem ersten Adventssonntag, eingeweiht. Sie ersetzte einen Vorgängerbau aus dem 13. Jahrhundert, der bei der Beschießung der Inselstadt im Jahr 1693 zwar nicht zerstört, aber doch so stark beschädigt worden war, dass der Turm 1714 abgetragen werden musste. Die Glocken wurden in einem Schuppen neben der Kirche untergebracht, in dem sie fast 200 aufbewahrt wurden.

Lange diskutierte man die Erneuerung und Erweiterung der alten Kirche, ehe man sich schließlich zum völligen Neubau entschloss. Ein schwerer Wetterschaden hatte dem Gebäude inzwischen weiter zugesetzt. Im Juli 1787 wurde die alte Kirche abgebrochen.

Der Plan für den Neubau stammte von dem hannoverschen Landbaumeister Johann Friedrich Laves (1734-1818). Die Baukosten in Höhe von 17.000 Talern wurden zu einem Teil von der hannoverschen Regierung bezahlt, zum Teil als Darlehen vergeben, das bis 1863 getilgt wurde.

Aus Kostengründen hatte man beim Neubau der Kirche auf einen Turm verzichtet, nur ein Dachreiter krönte die Petrikirche. Erst 1911 konnte man einen Turm auf die Kirche setzen, der auch das Glockengeläut aufnehmen konnte.

Die alten Glocken aus dem Jahr 1636, die fast zweihundert Jahre eingelagert gewesen waren, wurden 1911 umgegossen. Sie läuteten nur rund sechs Jahre. 1917 mussten sie zur Metallgewinnung im Ersten Weltkrieg abgeliefert werden. Allein die kleinste und älteste Glocke aus dem Jahr 1578 blieb erhalten.

Im Frühjahr 1921 konnte ein neues Geläut beschafft werden, das am 3. April 1921 geweiht wurde. Die Anschaffung wurde besonders durch eine Spende aus den USA ermöglicht:

„Die Neuanschaffung der Glocken wurde im wesentlichen gefördert durch eine Spende des Herrn Albert Schwalge und seiner beiden Schwestern in Chicago, die durch Überweisung von 300 Dollar der Kirche ihrer alten Heimatstadt gedachten. Auch als im Jahre 1923 in Chicago von dem Schleswig-Holsteiner-Verein ein Wohltätigkeitsfest zum Besten der deutschen Landsleute veranstaltet wurde, sorgte Herr A. Schwalge dafür, dass von dem Ertrag des Festes 200 Dollar nach Ratzeburg kamen, wo sie in den Zeiten größter Not für die Gemeindepflege und zur Unterhaltung der Kinder-Walderholungsstätten Verwendung fanden.“(L. Hellwig: Chronik der Stadt Ratzeburg, Ratzeburg 2. Aufl. 1929, S. 98)

ARCHIVALE_NOVEMBER_2011

Verbunden mit dem Neubau des Turmes war 1911 eine umfassende Renovierung und der Einbau einer neuen Orgel:

„Am 30. April 1911 beschloss das Kirchenkollegium außerdem auf Vorschlag des Kirchenvorstandes […] eine gründliche Instandsetzung des Innern der Kirche: die Anlage einer Zentralheizung, Errichtung einer elektrischen Beleuchtung, würdige Ausmalung des Innern, Herstellung eines neuen Fußbodens, ferner den Umguss der alten Glocken und den Einbau eines neuen Orgelwerkes unter Beibehaltung des schönen alten Gehäuses. Dem Kreisbaumeister Wolff wurde die Oberleitung und dem Kreisbauführer Wiegand die spezielle Leitung der gesamten Arbeiten übertragen.“ (Lauenburgische Zeitung Nr. 138 vom 18. November 1911)

Der Neubau der Orgel wurde der Fa. Kempper und Sohn in Lübeck übertragen, alle übrigen Arbeiten wurden von Ratzeburger Firmen ausgeführt. Am Sonntag, dem 19. November 1911, wurde die renovierte Petrikirche mit einem Festgottesdienst eingeweiht.


 

Das Burgtheater

Die Geschichte des Gebäudes, aus dem 1950 das Burgtheater wurde, reicht weit zurück.Der darunter liegende Pulverkeller stammt aus dem 17. Jahrhundert, als Ratzeburg zu einer Festung ausgebaut wurde. Neben den eigentlichen Festungsanlagen wurden damals auch verschiedene Pulver- und Proviantgewölbe errichtet, die vor allem an der Süd- und Ostseite der Stadtinsel entstanden, wo sie bei einer Beschießung weniger gefährdet waren.

In Louis Hellwigs vor dem Ersten Weltkrieg erschienenen Chronik der Stadt Ratzeburg heißt es: „Übrigens befanden sich Befestigungen außer am Langenbrücker- und vor dem Lüneburger Tor auch auf der Südseite der Insel. Dort lag die sogenannte Augustenburg, deren Kasematten noch heutigen Tages der Aktienbrauerei als Keller dienen.

1817 hatte ein gewisser Mey das Werk erworben und ein langes Gebäude errichtet bzw. zu Wohnungen für kleine Leute ausgebaut. Da Unsauberkeit und Elend dort bald überhand nahmen, nannte der Volkswitz das Gebäude den „langen Jammer!; 1853 ist es abgebrochen und eine Brauerei daselbst errichtet worden.“ (L. Hellwig, Chronik der Stadt Ratzeburg, Ratzeburg 2. Auflage 1929, S. 60)

Heinrich Mey verkaufte die Augustenburg 1854 an den Brauer Johann Heinrich Boye, der auf den alten Kasematten ein neues Gebäude errichtete, in dem er eine Lagerbierbrauerei gründete. Dazu gehörte auch eine Gaststätte: die „Bierhalle“. Zehn Jahre später wurde das Geschäft an eine Aktiengesellschaft abgetreten, „die zuerst – wie man erzählt – eine Wasserheilanstalt daraus zu machen gedachte.“

Es blieb jedoch beim Brauereibetrieb, der erheblich modernisiert und erweitert wurde, sodass jährlich 2000 Tonnen Bier gebraut werden konnten. Im Januar 1864 nahm das neue Unternehmen seinen Betrieb auf. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stand der von Brauereidirektor H. Rautenberg geleitete Betrieb „in höchster Blüte“ und entwickelte sich „zu dem unstreitig bedeutendsten Industrieunternehmen Ratzeburgs“. (L. Hellwig, Chronik der Stadt Ratzeburg, Ratzeburg 2. Auflage 1929, S. 80)

1919 wurde die Ratzeburger Brauerei an die Lübecker Aktienbrauerei verkauft, die den Braubetrieb in der Inselstadt einstellte. Das Grundstück wurde verkauft und die Maschinen und Braugeräte entfernte man aus dem Gebäude, das danach wieder für Wohnzwecke eingerichtet wurde.Der hohe Schornstein des Maschinenhauses wurde durch eine Sprengung 1920 beseitigt, ein zweiter Fabrikschornstein blieb zunächst erhalten.

Anfang der 1920er Jahre wurde durch Ernst Wegwerth ein Kino eingebaut, das den Namen „Schauburg“ trug. Am 24. Dezember 1924 teilte der Kinobesitzer mit, „dass er das von ihm erbaute Kino am 25. d. Mts. in Betrieb setzt“.

1932 erwarb Ernst Steinhusen das Kino und stattete es mit den Apparaturen aus, die erforderlich waren, um die neu aufgekommenen Tonfilme zeigen zu können. Auch in den folgenden Jahren waren hohe Investitionen notwendig, um die „Schauburg“ auf dem neuesten technischen Stand halten zu können. 1936 wurde erneut renoviert und umgebaut. Das Theater erhielt eine Bühne, sodass die Filmvorführungen mit den damals beliebten Bühnenschauen verbunden werden konnten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich Ernst Steinhusen seinen Traum vom Umbau des Kinos zu einem „richtigen“ Theater erfüllen. Das Projekt, das der Hamburger Architekt Cäsar Pinnau leitete, kostete rund eine halbe Million Mark. Während der Umbauarbeiten lief der Kinobetrieb in der städtischen Turnhalle weiter.

Zur Neueröffnung des „Burgtheaters“ am 10. November 1950 wurde der erste deutsche Nachkriegsfarbfilm „Schwarzwaldmädel“ mit Sonja Ziemann und Rudolf Prack aufgeführt. Wenige Tage später gastierte das Hamburger Thalia-Theater mit der Komödie „Das Mädchen vom sechsten Stock“. Das alte Lichtspieltheater war zum Bühnenraum geworden. Die Zahl der Plätze hatte sich von 350 auf 520 erhöht.

Die Erwartungen, die in das Burgtheater gesetzt wurden, waren hoch. Die Einrichtung sollte zu einem „kulturellen Zentrum“ werden. 1957 rüstete Ernst Steinhusen sein Kino mit Cinemascope und Breitwand aus.

1952 wurden im Burgtheater über 118.000 Zuschauer gezählt – erst als das Fernsehen massenhaft Einzug in die deutschen Wohnzimmer hielt, kam es zu einem deutlichen Einbruch der Besucherzahlen.

ARCHIVALE_OKTOBER_2011

In der Zeit des Kinosterbens sah sich Steinhusen nicht mehr in der Lage, das Theater zu erhalten. Als es sogar Pläne gab, hier einen Supermarkt einziehen zu lassen, entschloss sich die Stadt Ratzeburg 1970, das Haus zu kaufen. In der Folge wurde das Burgtheater umfangreich renoviert. Nicht nur Kinovorstellungen, sondern auch Theatergastspiele fanden hier statt.

ARCHIVALE_OKTOBER_2011

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Bis 1995 blieb das Gebäude im Besitz der Stadt und wurde dann an einen Investor verkauft, der das Kino nach längerer Sanierung im Dezember 2000 wieder eröffnete. Seither werden in farblich unterschiedlich gestalteten Sälen (blau, rot und grün) Filme gezeigt.

Nach der Insolvenz des Investors wurde ab 2003 erneut intensiv über die Zukunft des Burgtheaters diskutiert, ehe das Haus 2006 an den jetzigen Besitzer verkauft wurde.

 

Ratzeburger Wasserturm

Die sichere Versorgung mit Trinkwasser in hoher Qualität ist heute für uns eine Selbstverständlichkeit. Die zentrale Wasserversorgung in unserer Stadt ist allerdings noch nicht einmal hundert Jahre alt. Über Jahrhunderte nahmen die Bewohner Ratzeburgs das Wasser, das sie für den täglichen Bedarf brauchten, aus den Seen sowie aus den privaten und öffentlichen Brunnen. Dort, wo die Straße „Fünfhausen“ in die Fischerstraße einmündet, erinnert die letzte der zwölf alten Pumpen an die Zeit vor der Einführung der öffentlichen Wasserversorgung. Die Erkenntnisse, die man im 19. Jahrhundert über die Bedeutung der Wasserhygiene gewann, führten allerorts zu Überlegungen, die Wasserversorgung zu verbessern. In Ratzeburg beschäftigte sich der Magistrat seit 1887 mit diesem Thema.

1898 richtete die Firma Palmer und Fehrer, die das Gaswerk in Ratzeburg betrieb, ein Angebot an die Stadt, ein Wasserwerk zu bauen und zu betreiben. Nach längeren Verhandlungen zwischen Palmer und der Stadt wurde Anfang Juli 1902 ein entsprechender Vertrag zwischen der Stadt und dem Unternehmer Palmer unterzeichnet. Die Genehmigung zum Bau eines Wasserturms erfolgt am 28. Juli 1902. Dieser Turm sollte gleichzeitig als Aussichtsturm dienen, um vor allem den Touristen einen besonderen Anziehungspunkt zu bieten. In den folgenden Monaten schritten die Arbeiten an der zentralen Wasserversorgung immer weiter voran. Am 12. September 1904 teilte Emil Palmer dem Magistrat mit, dass der Wasserturm fertiggestellt sei.

Der Turm „erhob sich über quadratischem Grundriss und ist als Musterbeispiel einer in neuromanischen Formen erbauten Architektur anzusehen. Über einem Betonsockel erhebt sich ein hoher schlanker Backsteinturm mit Eckquaderung in Rauputz. Das Untergeschoss weist neben seinem großen, rundbogigen Eingangsportal Rundbogen- und darüberliegende Rundfester auf, deren Laibungen mit Sichtquadern in Keilsteinform optisch betont wurden. Ein vortretendes profiliertes Gesims trennt das Unter- vom ersten Obergeschoss. […] Den oberen Abschluss bildete ein leicht vorspringender Turmaufsatz mit Zinnenaufsätzen an den Kanten.“ (Technische Denkmäler 2, S. 429, zitiert bei Kaack, 1987, S. 297)

 

Dieser erste Wasserturm ist aus dem Stadtbild völlig verschwunden und doch vollständig erhalten. Seit Mitte der 1930er Jahre umgibt ihn nämlich die Hülle des neuen Wasserturms, ein achteckiges Betonskelett mit einer Ausmauerung aus Klinkersteinen. Auch der neue Wasserturm erhielt eine Aussichtsplattform.

Ein Werk über technische Denkmäler beschreibt den Wasserturm ausführlich:

„Gegenüber dem ersten Wasserturm ist die architektonische Gestaltung der Ummantelung in den 30er Jahren sehr viel einfacher und sparsamer durchgeführt worden. Ein achteckiges Stahlbetonskelett wurde um den ersten Wasserturm herumgelegt und die Gefache mit rotbraunem Backstein gefüllt. Schlitzartige und rechteckige Fensteröffnungen durchbrechen die Wände; sie haben indessen keine wirkliche Funktion, da sie lediglich die unbetretbaren nach unten zu offenen Zwischenräume zwischen den Außenwänden des alten und den Innenwänden des neuen Wasserturms belichten. Auf der Krone des alten Wasserturms wurde eine weite, offene Aussichtsplattform angelegt, oberhalb derer der Stahlbetonbehälter mit einem Fassungsvermögen von 260 cbm angeordnet ist. Schmale, schlanke Schlitzfenster belichten den begehbaren Zwischenraum zwischen Behälter und Außenwand. Eine hohe Fahnenstange auf dem flachen Dach schließt den Wasserturm ab, der als einzige Schmuckform über dem Eingangsportal das Ratzeburger Stadtwappen trägt und seine Kanten mit sägezahnartig vorspringenden Backsteinen besetzt hat.“ (Technische Denkmäler 2, S. 429, zitiert bei Kaack, 1987, S. 375)

Daneben existiert auf dem St. Georgsberg ein weiterer Wasserturm (am Jakob-Falke-Weg). St. Georgsberg, damals noch eigenständige Gemeinde, hatte sich 1927 zum Bau einer eigenen Wasserversorgungsanlage mit einem eigenen Wasserturm entschlossen. Ein Jahr später erfolgte allerdings schon die Eingemeindung in die Stadt Ratzeburg. Damit ging auch die neu erbaute Anlage in den Besitz der Stadt über.

Beide Bauwerke sind für Wasserturmenthusiasten so interessant, dass sie Eingang gefunden haben, in das Wissensportal Wikipedia:

Wasserturm Ratzeburg Hindenburghöhe

Wasserturm Ratzeburg St. Georsgberg

Literatur: Stadtwerke Ratzeburg (Hrsg.): 75 Jahre Wasser- und elektrizitätsversorgung in Ratzeburg. Zusammengestellt von Hans-Georg Kaack, 1978.
Hans-Georg Kaack: Ratzeburg. Geschichte einer Inselstadt. Neumünster 1987.

Grüner Weg 16

 

Durch den Zustrom von Flüchtlingen und Vertriebenen herrschte in Ratzeburg in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg große Wohnungsnot. Wer irgendeine Möglichkeit dazu sah, versuchte sich den Traum von einem Eigenheim zu erfüllen. Viele stellten bei der Stadt Anträge auf Zuteilung von Bauplätzen. Auf dem St. Georgsberg und in der Vorstadt standen große unbebaute Flächen zur Verfügung. So auch im Bereich des Grünen Weges. Viele der Baugrundstücke wurden von der Stadt als Erbbaurechtsgrundstücke vergeben, andere wurden verkauft, wobei der Preis für einzelne Bauplätze am Grünen Weg 1948 bei 1.—DM / m² lag.

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Planzeichnungen "Ausbau des Grünen Weges"
(bitte aufrufen)

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Die Straße "Grüner Weg" wurde im Rahmen sogenannter "Notstandsarbeiten", auch "Wertschaffende Arbeitslosenhilfe" genannt, zu Beginn der Fünfziger Jahre ausgebaut. Mit diesem arbeitsmarktpoltischen Instrument wurden insbesondere die zahlreichen Kriegsheimkehrer aufgefangen und dem Arbeitsmarkt wieder zugeführt. Mit dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) aus dem Jahre 1969 wurden die Notstandsarbeiten in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen umbenannt und neu gestaltet.

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Die nachfolgenden Bilder der Familie Raphael vom Wohnhaus im Grünen Weg 16 wurden dem Digitalen Stadtarchiv freundlicherweise von der Familie Seeliger zur Verfügung gestellt. Sie dokumentieren einmal mehr die enormen Eigenleistungen, die zur Verwirklichung des Traums vom Eigenheim von den Eigentümern erbracht wurden.

Bahnhofsallee 21

1925 ließ der Geschäftsführer der Ortskrankenkasse, Karl Stage, in der damals noch selbständigen Gemeinde St. Georgsberg sein Wohnhaus errichten. Der Kaufpreis für das Grundstück betrug 1,- Mark / Quadratmeter. Sämtliche Pläne, Kostenvoranschläge, Rechnungen und sogar ein kleines Modell des Hauses hat der Bauherr aufgehoben. Eine Auswahl dieser Unterlagen möchten wir in diesem Monat präsentieren.

Eine Baugeschichte berichtet von Hans-Werner Kuhlmann

Bahnhofsallee 21, 1926

Das Haus in der Bahnhofsallee ist mein Geburtshaus (nun ja, die tatsächliche Geburt fand im Ratzeburger Krankenhaus statt.). Mein Großvater hatte das Haus 1925 genau gegenüber seinem Arbeitsplatz, auch damals schon der AOK, bauen lassen. Ich weiß nicht viel über die Geschichte des Hauses vor meiner Zeit. Fest steht, dass in diesem Haus zeitweilig bis zu drei Kinder gelebt haben. Im Krieg hat dort auch ein russischer Zwangsarbeiter gelebt - die 2 Töchter waren im Kriegsdienst -, zu dem es wohl ein fast freundschaftliches Verhältnis gegeben hat.

Bahnhofsallee 21, 1930

Ich erinnere mich, dass es - wie damals üblich - einen Hühnerstall gab und dass hin und wieder Tiere auf dem Hof geschlachtet wurden.

Wegebaugenehmigung

Baupläne der Bahnhofsallee 21

Baupläne der Bahnhofsallee 21

Baupläne der Bahnhofsallee 21

Richtspruch

Ich habe schon als Kind den Ausblick vom Haus bis zu den Türmen Lübecks, heute bis zum Maritim in Travemünde, bewundert. Die Bahnhofsallee war damals mit Linden bestanden; vor dem Haus befand sich eine steile Böschung zur Bahnhofsallee. Die war schon in den 1950er und 1960er Jahren extrem stark befahren. Ich habe das als Kind genossen und besonders am Wochenende oben auf der Böschung gesessen und Strichlisten mit Automarken und Kennzeichen geführt. Nachdem meine Eltern von Ratzeburg an den Niederrhein gezogen waren, habe ich dennoch jedes Jahr die Ferien in diesem Haus verbracht. Haus und Garten, aber natürlich auch die Umgebung waren für mich jedes Mal ein Paradies! Ich musste die wunderbar süßen Kirschen pflücken, die an die Kaufleute Olk oder Schliffke verkauft wurden. Ich konnte im Garten in Bäumen klettern und um das Haus herum mit Wissen meiner Großmutter Kröten oder Stichlinge verstecken, die ich irgendwo am Küchensee gefangen hatte.

DIGI_STADT_BAHNHOFSALLEE
Auch 1925 kam es beim Bauen schon zu Streitigkeiten

Damals fuhren auf der Eisenbahnstrecke durch Ratzeburg auch D-Züge, sogar zeitweilig von Kopenhagen nach Rom, was meinen Großvater dazu veranlasste, den Zug den "Kopenhagen-Ratzeburg-Rom-Express" zu nennen. Ich reiste einmal mit einem D-Zug von Köln aus in den Ferien an. Der hielt eigentlich nicht in Ratzeburg; ich hätte also bis Lübeck fahren müssen. Damals war die Welt aber noch anders strukturiert: Mein Großvater kannte den Bahnhofsvorsteher, der stellte das Ausfahrtsignal auf "Halt", und so konnte ich in Ratzeburg aussteigen.

Rechnungen von Ratzeburger Unternehmen

Nach dem Tod meines Großvaters wohnte meine Großmutter noch lange alleine im Haus (sie wurde 99 Jahre alt) und hielt bis zuletzt den großen Garten in Stand; Unkraut wurde mit dem Gehstock beseitigt.

Bahnhofsallee 21, 1976

Es ist für mich verwunderlich, dass es noch die Baupläne von 1925 gibt, aber keine Pläne von den Veränderungen, die es über die Jahre gegeben hat. Nun ja, "Schwarzbauten" waren es sicher nicht, es sei denn, man wollte renommierte Ratzeburger Bauunternehmer der jeweiligen Zeit "anschwärzen"...

Ein Modellentwurf des Architekten aus dem Jahr 1925

Text: Hans-Werner Kuhlmann


 

 

 

Geibelweg 9

Ratzeburg ist in den Nachkriegsjahren durch den Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen enorm gewachsen. Die Bevölkerungszahl verdoppelte sich in kurzer Zeit und führte in der Folge zur Ausweisung neuer Baugebiete im Bereich der Vorstadt und auf dem St. Georgsberg. Dieser Prozess wurde durch die Wiederinbetriebnahme der Below-Kaserne und der damit verbundenen Räumung von dort untergebrachten Flüchtlingen sowie später vor allem durch den beginnenden Wirtschaftsaufschwung der so genannten "Wunderjahre" weiter verstärkt. Immer mehr Menschen gelang es, sich durch ihre Arbeit den großen Traum vom Eigenheim in Ratzeburg zu erfüllen.

Dieser Entwicklung folgend wurde zu Beginn der sechziger Jahre auf dem St. Georgsberg ein neues Baugebiet zwischen der Friedrich-Ebert-Straße, dem Albsfelder Weg und der Klaus-Groth-Straße Rechnung ausgewiesen, dessen Entwicklung exemplarisch die Baugeschichte des Geibelweges 9 widerspiegelt. 1961 wurde seitens der Stadt Ratzeburg der Durchführungsplan 2 für das Gebiet Ratzeburg, Gemarkung Neu-Vorwerk FL.2 erstellt, auf dessen Basis die Bebauung dieses neuen Stadtgebietes vorangetrieben wurde. Eingezeichnt auf dem Plan finden sich ein "Gelände für geplante Schule", heute die Schule St. Georgsberg sowie ein Kindergarten, der jedoch nicht verwirklicht wurde und an dessen Stelle heute ein Spielplatz liegt.

Die privaten Bautätigkeiten setzen nachfolgend 1961 ein. Im Geibelweg, im Volksmund noch "Bahnhofsschlag" genannt, wurden ab 1962 Einfamilienhäuser errichtet, wie auch der Neubau des Geibelweg 9. Die Entstehung des Hauses wurde vom damaligen Bauherren Helmut H. akribisch dokumentiert und kann nachfolgend für sich sprechen:

(Fotos von Herrn Helmut H., Geibelweg 9)

Anzumerken bleibt, dass der Geibelweg als eine der bestausgebauten Straßen Ratzeburgs gilt. Aufgrund eines Ausführungsfehlers der damaligen Baufirma wurde die Ausschachtung des Straßenkörpers zu tief angesetzt, so dass für eine Anbindung an den Hermann-Löns-Weg die Trasse mit zusätzlichem Kies aufgefüllt werden musste. Dieser besonders umfangreiche Straßenaufbau hat die Straße bis heute in einem äußersten robusten, stabilen und frostsicheren Zustand gehalten.

Domhof 25

Rund um den inneren Domhof befanden sich einst die Häuser der Domherren. Mit der Verweltlichung des Domherrenstiftes hatten die Domherren begonnen, sich Wohnhöfe, sogenannte Kurien, außerhalb des Kapitelgebäudes zu errichten.

Einige der Anwesen trugen die Namen der adligen Familien, die dort wohnten. So finden wir für das Gebäude am Domhof 25 die Bezeichnung „Daldorfsche Kurie“ nach der Familie von Daldorf, die bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts hier ansässig gewesen war.

In der „Daldorfschen Kurie“ lebte Ende des 18. Jahrhunderts der mecklenburg-strelitzsche Amtmann Nicolaus Otto von Wickede mit seiner Familie. Der Amtmann starb 1793, sein Grab ist heute noch auf dem Domfriedhof zu finden. Nach dem Tod der Witwe 1822 wurde das Anwesen von den Erben an Louise Brauns verkauft.

1857 erwarb es der Particulier Weißensee aus Hamburg, der es 1865 an Frau Minna Weltner weiter veräußerte. 1877 kaufte der Hamburger Kapitän Carl August Müller das Haus für 11.100 Mark. Dessen Sohn Alfred Müller war Weinhändler in Ratzeburg. Bis zu seinem Tod im Jahre 1966 lebte hier der Rechtsanwalt Dr. Ernst Häckermann, dessen Ehefrau Louisa eine geborene Müller war. Deren Sohn war übrigens der Schauspieler Hans Häckermann, der von 1975 bis 1985 Schauspieldirektor und Generalintendant des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters in Schleswig war und durch zahlreiche Fernsehrollen bekannt wurde.

Das alte, fast 300 Jahre alte Gebäude wurde 1966 abgerissen. Darunter befand sich ein noch älteres Kellergewölbe, das ebenfalls abgetragen werden musste. Bevor mit dem Neubau begonnen werden konnte, waren Tiefbohrungen erforderlich, um den Untergrund zu prüfen. 1969 war das neue Haus fertig. Das Foto des Neubaus entstand 1970.

(Fotos von Herrn Eberhard Fischer, Domhof 25)

Das Stadtarchiv, Alumnat, Demolierung 2

Beginnen möchten wir unsere Reihe mit dem Stadtarchiv. Das Archiv war ursprünglich im Rathaus am Markt unterbracht. Von 1972 bis 1998 lagen die ältesten Aktenbestände als Depositum im Kreisarchiv im Alten Kreishaus am Markt. Von 1989 bis 1996 war das Archiv in der Töpferstraße 1 untergebracht, ehe es in die Schulstraße 25 umzog. Dies war die ehemalige Hausmeisterwohnung der Ernst-Barlach-Realschule.

Im Dezember 1999 zog das Stadtarchiv in das im gleichen Jahr neu errichtete Gebäude Demolierung 2. Hier befand sich seit 1897 in einem eigens dafür umgebauten Wohnhaus das Schülerheim für die Schüler der Lauenburgischen Gelehrtenschule, das „Alumnat“. Zwischen 1945 und 1948 diente das Haus als Lazarett und Klinik.

Nach der Auflösung des Alumnats wurde das Gebäude für Verwaltungszwecke und als Familienbildungsstätte genutzt. Der Abriss erfolgte 1992. Die Fotos aus dem Stadtarchiv zeigen die verschiedenen Bauphasen des neuen Gebäudes.