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15.01.2024

"Süßer die Glocken nie klingen"
Spendenaktion zugunsten einer neuen Glocke in der Stadtkirche St. Petri

"Süßer die Glocken nie klingen" - Unter dieser Überschrift läuft gerade eine Spendenaktion in der Kirchengemeinde Sankt Petri zu Ratzeburg. Das Geläut der Stadtkirche muss teilweise erneuert werden, damit es noch lange erhalten bleiben kann. Die erbetenen Spenden sollen helfen, die notwendigen Maßnahmen vorzunehmen. Zentral ist, dass eine defekte Glocke gegen eine neue ersetzt werden muss. Die Spendenaktion startete mit einer Briefaktion im Advent. Bereits fast 200 Menschen haben gespendet und das Spendenaufkommen geht auf 20.000 € zu. Meist spenden Menschen im fortgeschrittenen Alter. Sie fühlen sich von den Glocken an ihre Kindheit erinnert und freuen sich, wenn sie sie noch hören können. Eine ältere Dame sagte: "Ich spende gern, dann weiß ich, dass, auch wenn ich nicht mehr bin, die Glocke immer noch zu hören sein wird."

Es spenden dabei nicht nur Gemeindemitglieder der Ev.-Luth. St. Petrigemeinde, sondern auch andere Ratzeburgerinnen und Ratzeburger – auch jüngere. Es scheint ein feines und starkes Gespür dafür zu geben, dass besonders das Petri-Läuten um 21 Uhr so etwas wie ein friedvoller Abschluss des Tages sein kann. Gerade, wenn man vom Tage noch ungute Erlebnisse zu verarbeiten oder kurz zuvor die weniger friedvollen Nachrichten aus der Welt gesehen hat. „Hier in Ratzeburg haben wir es doch recht gut miteinander“, tönen wohl die Glocken abends und fördern in uns Gedanken der Hoffnung für Menschen, die gegenwärtig in Krieg oder Krise leben müssen.

Pastor Rolf Martin von der St. Petri Gemeinde ist überrascht, gerührt, erfreut über die Spendenbereitschaft der Ratzeburgerinnen und Ratzeburger. Er wird zuversichtlicher, dass bei so viel Unterstützung die Glockenreparatur möglicherweise bald in Angriff genommen werden kann, auch wenn noch einen weiter und harter Finanzierungsweg mit weiteren Anstrengungen vor der Gemeinde liegt.

"Helfen Sie bitte dabei, das Glockengeläut von St. Petri mit ihrem unverwechselbaren Klang zu bewahren. Es ist eine wichtige Tradition in unserer Stadt und verbindet sich sogar mit einer Sage", sagt Bürgermeister Eckhard Graf, der qua Amt auch Patron der Stadtkirche St. Petri ist.

Das Abendglöcklein in Ratzeburg

"Sobald die Glocke der Stadtkirche St. Petri die 9. Abendstunde verkündet hat, wird stets eine kleine Glocke geläutet und damit an die wunderbare Rettung zweier Edelfräulein erinnert. Diese hatten sich nämlich auf einem Spaziergange zwischen Ratzeburg und Buchholz derart im Wald verirrt, dass es ihnen völlig unmöglich war, den Rückweg zu finden. Ermattet sanken sie endlich nieder und schickten sich an, indem sie in heißen Gebeten Gott um seinen gnädigen Schutz baten, die bereits anbrechende Nacht im Wald zu verbringen. Da hörten sie plötzlich laut und deutlich die Ratzeburger Kirchenuhr neun schlagen. Mit frohem Mute eitle sie dem Schalle nach und gelangten nach kleiner Wanderung wohlbehalten in Ratzeburg an.

Der Vater, der bereits seine Töchter verloren geglaubt hatte, stiftete nun in seiner Freude über die so glückliche und wunderbare Errettung derselben zum Dank gegen Gott die kleine Glocke, welche noch jetzt jeden Abend um 9 Uhr geläutet wird. An einem sehr stürmischen Herbstabend aber unterließ der Küster das Läuten, in dem er sein Gewissen damit beruhigte, dass das Versäumnis von niemanden bemerkt werden würde. Als er aber am nächsten Abend den Glockenstrang anfassen wollte, erhielt er von unsichtbarer Hand eine derartige Ohrfeige, dass er sein frevelhaftes Tun nicht zu wiederholen wagte." (Quelle: "Geschichten aus dem Lauenburger Land" von Claudia Tanck, HRSG: Heimatbund und Geschichtsverein Herzogtum Lauenburg, Schwarzenbek 2004)

Informationen zur Spendenaktion

Zur Geschichte der Stadtkirche St. Petri
Der Neubau des Kirchturms von St. Petri

Die heutige Petrikirche wurde am 27. November 1791, dem ersten Adventssonntag, eingeweiht. Sie ersetzte einen Vorgängerbau aus dem 13. Jahrhundert, der bei der Beschießung der Inselstadt im Jahr 1693 zwar nicht zerstört, aber doch so stark beschädigt worden war, dass der Turm 1714 abgetragen werden musste.  Die Glocken wurden in einem Schuppen neben der Kirche untergebracht, in dem sie fast 200 aufbewahrt wurden. 


Lange diskutierte man die Erneuerung und Erweiterung der alten Kirche, ehe man sich schließlich zum völligen Neubau entschloss. Ein schwerer Wetterschaden hatte dem Gebäude inzwischen weiter zugesetzt. Im Juli 1787 wurde die alte Kirche abgebrochen. Der Plan für den Neubau stammte von dem hannoverschen Landbaumeister Johann Friedrich Laves (1734-1818). Die Baukosten in Höhe von 17.000 Talern wurden zu einem Teil von der hannoverschen Regierung bezahlt, zum Teil als Darlehen vergeben, das bis 1863 getilgt wurde. Aus Kostengründen hatte man beim Neubau der Kirche auf einen Turm verzichtet, nur ein Dachreiter krönte die Petrikirche. Erst 1911 konnte man einen Turm auf die Kirche setzen, der auch das Glockengeläut aufnehmen konnte.


Die alten Glocken aus dem Jahr 1636, die fast zweihundert Jahre eingelagert gewesen waren, wurden 1911 umgegossen. Sie läuteten nur rund sechs Jahre. 1917 mussten sie zur Metallgewinnung im Ersten Weltkrieg abgeliefert werden. Allein die kleinste und älteste Glocke aus dem Jahr 1578 blieb erhalten.

Im Frühjahr 1921 konnte ein neues Geläut beschafft werden, das am 3. April 1921 geweiht wurde. Die Anschaffung wurde besonders durch eine Spende aus den USA ermöglicht: 

Die Neuanschaffung der Glocken wurde im Wesentlichen gefördert durch eine Spende des Herrn Albert Schwalge und seiner beiden Schwestern in Chicago, die durch Überweisung von 300 Dollar der Kirche ihrer alten Heimatstadt gedachten. Auch als im Jahre 1923 in Chicago von dem Schleswig-Holsteiner-Verein ein Wohltätigkeitsfest zum Besten der deutschen Landsleute veranstaltet wurde, sorgte Herr A. Schwalge dafür, dass von dem Ertrag des Festes 200 Dollar nach Ratzeburg kamen, wo sie in den Zeiten größter Not für die Gemeindepflege und zur Unterhaltung der Kinder-Walderholungsstätten Verwendung fanden.“(L. Hellwig: Chronik der Stadt Ratzeburg, Ratzeburg 2. Aufl. 1929, S. 98) 

Verbunden mit dem Neubau des Turmes war 1911 eine umfassende Renovierung und der Einbau einer neuen Orgel:

Am 30. April 1911 beschloss das Kirchenkollegium außerdem auf Vorschlag des Kirchenvorstandes […] eine gründliche Instandsetzung des Innern der Kirche: die Anlage einer Zentralheizung, Errichtung einer elektrischen Beleuchtung, würdige Ausmalung des Innern, Herstellung eines neuen Fußbodens, ferner den Umguss der alten Glocken und den Einbau eines neuen Orgelwerkes unter Beibehaltung des schönen alten Gehäuses. Dem Kreisbaumeister Wolff wurde die Oberleitung und dem Kreisbauführer Wiegand die spezielle Leitung der gesamten Arbeiten übertragen.“ (Lauenburgische Zeitung Nr. 138 vom 18. November 1911)

Der Neubau der Orgel wurde der Fa. Kempper und Sohn in Lübeck übertragen, alle übrigen Arbeiten wurden von Ratzeburger Firmen ausgeführt. Am Sonntag, dem 19. November 1911, wurde die renovierte Petrikirche mit einem Festgottesdienst eingeweiht.

(Quelle: Ratzeburger Baugeschichten aus dem Stadtarchiv Ratzeburg, 2011)

Quelle: Stadt Ratzeburg