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„...eine glattpolierte Schüssel, mit roten Krebsen angefüllt“
Ein Überblick über die Geschichte der Inselstadt Ratzeburg

„Diese Insel ist mit einem ziemlich regelmäßig angelegten Städtchen bebaut, welches, von fern gesehen, seiner roten Ziegeldächer wegen, erst seit gestern fertig geworden zu sein scheint. Denke dir, du sähest eine glattpolierte Schüssel, mit roten Krebsen angefüllt, den Rand mit grüner Petersilie belegt: und was du siehst, ist Ratzeburg.“ Die Insellage der Stadt, die Johann Heinrich Campe im Jahre 1785 zu seiner poetischen Beschreibung inspirierte, hat die Geschichte Ratzeburgs immer wieder maßgeblich beeinflusst.

Auf einer kleinen, der Hauptinsel vorgelagerten Insel, die heute nicht mehr als solche zu erkennen ist, entstand vermutlich schon um die Mitte des 9. Jahrhunderts eine slawische Ringwallanlage, die im 11. Jahrhundert zu einem Verwaltungszentrum des in der Region lebenden slawischen Stammes der Polaben (Elbanwohner) ausgebaut wurde. Die Insel bot der Burg eine strategisch günstige Schutzlage. Aus einer mittelalterlichen Chronik haben wir Nachricht von dem slawischen Fürsten Ratibor, der 1042 im Kampf gegen die Dänen fiel. Mit der Kurzform seines Namens – Ratse - wurde er zum Namensgeber der Burg und der späteren Stadt. Ratzeburg lag im Grenzgebiet zwischen Slawen und Sachsen, und dieser Situation verdankt der Ort seine erste urkundliche Erwähnung, als im Jahre 1062 Heinrich IV. die Burg Ratzeburg dem Sachsenherzog Ordulf (Otto) verlieh, der als Markgraf der sächsischen Grenzmark nördlich der Elbe für die Sicherung des Grenzbereichs zu den Slawen zuständig war.

In dieselbe Zeit fallen die ersten Anfänge christlicher Mission. Ein aus Jerusalem stammender Kleriker mit Namen Aristo wurde zum ersten Bischof des Polabenlandes geweiht. Ganz in der Nähe Ratzeburgs, wahrscheinlich auf dem St. Georgsberg, wurden eine Kirche und ein Kloster errichtet.1066 fand dieser Versuch der Christianisierung des Polabenlandes ein jähes Ende. Der Abt Ansverus starb mit seinen Mönchen bei einem Slawenaufstand in der Nähe Ratzeburgs den Märtyrertod – Das Ansveruskreuz bei Einhaus ist bis heute Wallfahrtsort und eine Darstellung der Ansveruslegende ist im Ratzeburger Dom zu betrachten. Es dauerte Jahrzehnte, bis das Christentum wieder Fuß fassen konnte. Erst die konsequente Machtpolitik Heinrichs des Löwen brachte die entscheidende Wende. Heinrich, der zum mächtigsten Fürsten des Reiches wurde, begann mit der politischen Neuordnung Nordelbiens. 1143 belehnte er Heinrich von Badewide mit dem Land der Polaben. Das eroberte Gebiet erhielt eine völlig neue Struktur. Es wurden in der Folgezeit nicht nur Kirchen gebaut und das Christentum gepredigt, sondern es wurden auch neue Siedler, hauptsächlich aus Niedersachsen und Westfalen, in das Land geholt. Der “Heinrichstein” am Eingang des Domhofs erinnert heute noch an die Verdienste Heinrichs von Badewide, der die Basis für die Gründung des Bistums Ratzeburg im Jahr 1154 bereitete.Die Bistumsgründung war ein entscheidender Schritt für die künftige Entwicklung des gesamten Raumes nördlich und nordöstlich der Elbe. Ratzeburg entwickelte sich in der Folge zum geistlichen und weltlichen Zentrum der Region.

Um 1160  wurde - ebenfalls maßgeblich durch Heinrich den Löwen gefördert - mit dem Bau des Ratzeburger Doms begonnen, der um 1220 vollendet werden konnte. Die städtische Siedlung auf der Insel entwickelte sich in der unmittelbaren Nachbarschaft von Burg und Dom und verfügt Ende des 13. Jahrhunderts über eigene Stadtrechte. Von wirtschaftlicher Bedeutung war neben dem Holzhandel vor allem das Brauwesen. Das Ratzeburger Bier, das unter dem Namen „Rommeldeus“ über die Ostsee sogar bis nach Danzig verschifft wurde, war ein Exportschlager. 1601 gab es 70 Brauhäuser in der Stadt.

Die askanische Herzogsdynastie, die seit  dem 12. Jahrhundert das Herzogtum regiert hatte, starb 1689 aus. Sofort setzte eine Auseinandersetzung um das Erbe ein, die letztlich Georg-Wilhelm von Lüneburg-Celle mit einer militärischen Besetzung des Landes für sich entschied. Der neue Landesherr wollte einen Brückenkopf nördlich der Elbe gewinnen und baute Ratzeburg zu einer modernen Festung aus – Burg und Schloss der Askanier mussten dafür weichen: geblieben ist heute nur der Name Schlosswiese am westlichen Zugang zur Stadtinsel. Dem dänischen König Christian V. waren die Rüstungsanstrengungen verständlicherweise ein Dorn im Auge. Er ließ die Inselstadt im August 1693 belagern und beschießen. Nur der Dom, die Stadtkirche und wenige Häuser der Stadt überstanden das dänische Bombardement.


Aus der Katastrophe des Sommers 1693 erwuchs allmählich eine neue Stadt, planmäßig angelegt nach barocken Vorstellungen und dem Vorbild der Stadt Mannheim. Bis heute ist der regelmäßige, schachbrettartige Grundriss der Stadt mit dem Markplatz im Zentrum klar zu erkennen. Nach dem Tod von Georg-Wilhelm von Lüneburg-Celle 1705 übernahm der hannoversche Kurfürst, der 1714 als Georg I. König von Großbritannien wurde, die Herrschaft im Herzogtum Lauenburg. Bis 1803 dauerte die „hannoversche Zeit“,  in der Ratzeburg als Garnisonstadt und Sitz der lauenburgischen Regierung, des Hofgerichts und des Konsistoriums sich auch zu einem kulturellen Zentrum des Herzogtums entwickelte. 

Nach der Besetzung durch französische Truppen in der napoleonischen Zeit wurde das Herzogtum im Wiener Kongress zum Tauschobjekt zwischen den größeren Mächten. Schließlich wurde der dänische König Friedrich VI. neuer Landesherr.  Nach dem deutsch-dänischen Krieg (1864) brach die preußische Zeit des Herzogtums Lauenburg an. Otto von Bismarck bereitete als „Minister für Lauenburg“ die vollständige Eingliederung des Herzogtums in die preußische Monarchie vor. 1876 wurde Ratzeburg Kreisstadt des preußischen Landkreises Herzogtum Lauenburg.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Infrastruktur der Stadt, die zu dieser Zeit etwa 4.300 Einwohner hatte, erheblich verbessert. Noch vor dem Ersten Weltkrieg wurde mit der Einrichtung der zentralen Versorgung mit Gas, Wasser und Strom begonnen. Durch einige Eingemeindungen vergrößerte sich das Stadtgebiet in den 1920er und 1930er Jahren. Im Zweiten Weltkrieg blieb die Stadt unzerstört. Durch die Aufnahme von Evakuierten, Flüchtlingen und Vertriebenen verdoppelte sich die Einwohnerzahl Ratzeburgs gegenüber der Vorkriegszeit auf ca.12.000 Menschen im Jahre 1946.

Die Nähe der innerdeutschen Grenze und die schlechte Verkehrsanbindung schränkten die wirtschaftliche Entwicklung Ratzeburgs nach dem Zweiten Weltkrieg erheblich ein. In den 1960er Jahren verschafften die Erfolge des Ratzeburger Ruderclubs und des „Ruderprofessors“  Karl Adam Ratzeburg internationales Ansehen.

Durch die Öffnung der innerdeutschen Grenze hat Ratzeburg sein natürliches Einzugsgebiet zurückgewonnen und zählt heute rund 13.000 Einwohner. Die landschaftlich reizvolle Lage bietet hervorragende Voraussetzungen für die weitere Entwicklung von Naherholung und Tourismus.

Auch ein beachtliches kulturelles Angebot lockt viele Besucher nach Ratzeburg. Das Kreismuseum, das Ernst-Barlach-Museum und das A. Paul-Weber-Museum lohnen ebenso einen Besuch wie die Kirchen der Stadt oder die renommierten Dommusiken.

Quelle: Stadtarchiv Ratzeburg - Stadtarchviar Christian Lopau