Seiteninhalt
22.07.2020

Straßenbäume brauchen Lebensraum und Schutz im Boden

Versuchsfeld im Ferdinand-Sauerbruch-Weg testet bessere Koexistenz von Bäumen und Verkehrswegen

Bäume zieren zahlreiche Straßenzüge in Ratzeburg und gehören zum gefälligen Stadtbild, als eindrucksvolle, alte Alleeanlage, wie "Unter den Linden", oder auch als schatten- und grünspendende Bepflanzung in den Wohngebieten. Was den Menschen erfreut, ist für die Bäume allerdings oft ein harter Kampf. Die Stadt mit ihren versiegelten und druckbelasteten Flächen ist kein natürlicher Lebensraum für Bäume, der ihnen eine volle Entfaltung ermöglicht. Entsprechend schwierig zeigt sich oft ihr Wachstum, aber auch der pflegerische Aufwand, ihnen ein würdevolles Gedeihen zu ermöglichen. Das Grundproblem, weiß Heinrich Meyer vom städtischen Grünamt zu berichten, sind neben all den externen Einwirkungen, wie Verkehr, Emissionen, Streusalzeintrag, vor allem der fehlende Raum. "Es gibt eine Faustregel. Schau die Krone eines Baumes an, dann weißt du wie groß sein Wurzelwerk im Boden sein muss", erläutert Heinrich Meyer. Da städtischer Raum allerdings teuer ist, wird bei der Pflanzung und Herrichtung des adäquaten Lebensraums der sehr häufig gespart. Die sogenannte Baumscheibe wird Platz haben. Entsprechend wenig Entfaltungsmöglichkeit hat das Wurzelwerk, meistens nur in die Tiefe. Jedoch auch in der Tiefe ist da Wurzelwachstum begrenzt, da Wurzeln nur dort wachsen können, wo Sauerstoff im Boden vorhanden ist. In der Regel ist dies über 1 Meter Tiefe nicht mehr der Fall, allenfalls etwas besser in besonders günstigen Lagen.

Die angrenzenden Flächen sind für die Verkehrsbelastung ausgelegt und hochverdichtet. " Bei Neuanpflanzungen an Straßen werden zumeist junge, vitale Bäume gesetzt, die in den ersten Jahren gut aussehen", so Meyer. Erst wenn sie älter werden zeigen sich die falschen Standortbedingungen und die Einschränkungen, mit denen sie zu kämpfen haben. Die Krone wird licht, das Wachstum auch für den Laien erkennbar kümmerlich und der Pflegebedarf steigt enorm. Der Baum beginnt seinen Überlebenskampf, teilweise auch sichtbar, indem er versucht, sich mit allen Mitteln am Leben zu erhalten. Für den Menschen wird dies sichtbar an durch sich anhebende Geh- und Radwege oder reißendem Asphalt. Die Wurzel stemmen sich gegen die Begrenzungen ihr und zerstören langsam die wertvolle Infrastruktur.


Ein solches Beispiel konnte in den vergangenen Jahren in der Ferdinand-Sauerbruch-Straße beobachtet werden. Dort wurden im Zuge der Neuanlage im Jahr 2000 gefällige, aber im Nachhinein standortungeeignete Silberweiden gepflanzt. Deren flaches Wurzelwerk widersetzte sich erfolgreich den vorgegebenen Beschränkungen der im Zuge der Baumaßnahme wiederum zu klein ausgelegten Baumscheiben und führte zunehmend zu großen Problemen in der Bausubstanz. Ein aufwendiger und auch teurer Baumtausch wurde notwendig. Standortgerechte, tiefwurzelnde Baumhasel sollten das Problem lösen. Um die bekannten Fehler nicht zu wiederholen, machten sich Heinrich Meyer und Guido Klossek von der städtischen Tiefbauabteilung Gedanken, wie Bäume und die umliegende Infrastruktur besser mit einander harmonieren könnten. Die Baumscheibe dabei deutlich zu vergrößern, war eine erste offensichtlich notwendige Maßnahme, selbst für die tiefwurzelnde Baumhasel. Ein zweiter Blick richtete sich auf den Untergrund. Wie kann der Übergangsbereich zwischen Verkehrsflächen und Baumscheiben gestaltet werden, um den extrem hochverdichteten Untergrund der Verkehrsflächen von den extrem wenig verdichteten Lebensbereichen der Bäume in geeigneter Weise getrennt werden? "Wir wissen, dass gerade die Belastung von schweren Fahrzeugen häufig zu einer weiteren Verdichtung des Bodens und somit auch der Baumscheiben führen. Allein ein LKW wirkt dabei auf den Untergrund wie 10.000 PKW", sagt Guido Klossek.



Der städtische Bauhof hatte dafür jedoch auch gleich eine kreative und kostengünstige Lösung parat, ein Pflanzkasten aus Beton, der die Baumscheibe umgibt und somit ihre schleichende Verdichtung verhindert und auch Versackungen der Fahrbahn vorbeugt. Der Ferdinand-Sauerbruch-Weg bot für diese Idee ein ideales Versuchsfeld. Entsprechend wurden die Baumhasel in eine vergrößerte und gesicherte Baumscheibe gesetzt. "Wir werden ihr Wachstum, wie auch die Entwicklung der umgebenden Fahr- und Gehwege in den kommenden Jahre sehr genau beobachten", so Meyer, hoffnungsvoll, dass hier eine gute Lösung für die Bäume wie für die Bausubstanz gefunden worden sein könnte. Sollte es sich bewähren, würde dies in Ratzeburg zukünftig Standard sein bei der Neuanpflanzung von Straßenbäumen.

Quelle: Stadt Ratzeburg